BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
1 BvR 1891/05
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
der xxxx,
vertreten durch ,
- Bevollmächtigter:
gegen
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter
Mitwirkung
am 09 März 2010 beschlossen:
Tenor
Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom
26. Juli 2005 - 7 U 31/05 - verletzt den Beschwerdeführer
in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des
Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird an das Hanseatische Oberlandesgericht
zurückverwiesen.
...
Gründe
1
Der Verfassungsbeschwerde liegt die zivilgerichtliche
Verurteilung des Beschwerdeführers zur Unterlassung
einer im Internet veröffentlichten Meldung über
ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zugrunde.
I.
2
1. a) Der Beschwerdeführer betreibt eine Internetseite,
die mehrere nichtkommerzielle Unterseiten enthält.
Darunter befand sich bis zum Jahr 2004 eine Seite mit
dem Titel "Gefunden. Aus der Wunderwelt des Rechts.
Juristische Nachrichten für kritische Leute." Wegen
einer dort verbreiteten Meldung über ein Ermittlungsverfahren
gegen den Sohn der damaligen Generalsekretärin der
F. Partei (F.), C.P., nahm dieser ihn im hier zugrunde
liegenden Ausgangsverfahren auf Unterlassung in Anspruch.
Dem lag im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:
3
Im August 2003 suchten zwei Journalisten der Zeitschrift "Stern" C.P.
in ihrem privaten Wohnhaus auf, um eine so genannte "Homestory" zu
erstellen. Bei diesem Besuch war auch der damals 18 Jahre
alte Sohn der Politikerin und Kläger des Ausgangsverfahrens,
X., (im Folgenden: Kläger) anwesend; dieser war
selbst in der Jugendorganisation der FDP engagiert und
kandidierte im April 2004 für ein kommunales Mandat
in seinem Heimatort. Es wurden im Einvernehmen aller
Anwesenden Lichtbilder zum Zweck der Veröffentlichung
gefertigt, auf denen zum Teil auch der Kläger zu
sehen ist. Die Journalisten bemerkten auf dem Verandatisch
im Haus der Politikerin einen Blumentopf mit einer Hanfpflanze.
Hierauf angesprochen äußerte Frau P., es handele
sich um "die grüne Aufzucht meines Sohnes".
Der Kläger entsorgte daraufhin die Pflanze auf dem
Kompost.
4
Am 23. Oktober 2003 erschien die Homestory im "Stern".
Darin wurde auch - unter Nennung des Vornamens des Klägers
- über die Hanfpflanze berichtet. Am Folgetag veröffentlichte
die "Bild-Zeitung" einen Artikel mit der
Schlagzeile: "Huch! Im Wohnzimmer von C.P. wächst
Hasch".
5
Aufgrund dieser Berichte leitete die Staatsanwaltschaft
H. am 24. Oktober 2003 gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren
wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
ein und veranlasste eine Durchsuchung im Haus der Familie
P. Abgesehen von den Resten der Hanfpflanze auf dem Kompost
wurden keine verdächtigen Gegenstände gefunden.
Die Durchsuchung wurde vor dem Haus der Familie P. von
Mitarbeitern des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) gefilmt
und am Abend des 24. Oktober 2003 im Fernsehen gezeigt,
wogegen sich der Kläger im Nachhinein erfolgreich
mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung wandte.
6
Am selben Tag veröffentlichte die Staatsanwaltschaft
unter der Überschrift "Haschpflanze im Hause
P." eine Pressemitteilung über das Ermittlungsverfahren
gegen den Kläger. Darin wurde auch mitgeteilt, dass
bei der Durchsuchung keine Hinweise auf weitere illegale
Pflanzen vorgefunden worden seien. Die Pressemitteilung
wurde von verschiedenen Presseagenturen verbreitet. Diese
nannten teilweise auch den Vornamen des Klägers;
ob dieser auch in der staatsanwaltschaftlichen Mitteilung
erwähnt worden war oder ob er den Agenturen lediglich
aus dem "Stern"-Artikel bekannt war, ist
im Ausgangsverfahren ungeklärt geblieben.
7
Ebenfalls am 24. Oktober 2003 veröffentlichte die
FDP eine Pressemitteilung, in der der Bericht der Bild-Zeitung
als unzutreffend zurückgewiesen wird; richtig sei,
dass der 18-jährige Sohn der Generalsekretärin "verschiedene
Samenkörner (…) eingepflanzt habe",
von denen sich einer zu einer Hanfpflanze entwickelt
habe. Außerdem wurde mitgeteilt, dass Frau P. gegen
weitere unzutreffende Berichte erforderlichenfalls rechtlich
vorgehen werde.
8
In den folgenden Tagen berichteten zahlreiche inländische
und ausländische Medien, darunter auch Nachrichtenportale
im Internet, über den Vorfall. Am 26. Oktober 2003
erschien auch eine Pressemitteilung von Frau P. selbst
zu dem Vorfall. Einzelne der Artikel sind auch heute
noch im Internet verfügbar.
9
Der Beschwerdeführer veröffentlichte am 30.
oder 31. Oktober 2003 auszugsweise eine Meldung aus den "t-online
Nachrichten", die ihrerseits auf den Meldungen der
Presseagenturen beruhte. Die Nachricht auf der Website
des Beschwerdeführers lautete:
10
"Polizei sucht Hasch im Hause P.
11
FDP-Generalsekretärin C.P. hat Ärger mit der
Justiz: Im Blumentopf ihres 18-jährigen Sohnes X.
wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft
wurden Räume und Garten der Familie in H. durchsucht.
Gegen X. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes
gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. ..."
12
Der vollständige Text der t-online-Meldung, zu
der auf der Seite des Beschwerdeführers ein Link
bestand, enthielt weitere Angaben zu der vorgefundenen
Pflanze, deren Entfernung, zu der Hausdurchsuchung sowie
deren Ergebnis.
13
b) Nachdem der Beschwerdeführer die Aufforderung
des Klägers zur Unterzeichnung einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, erhob dieser
bei dem Landgericht Hamburg Klage gegen ihn. Mit dem
hier nicht ausdrücklich angegriffenen Urteil vom
18. Februar 2005 verbot das Landgericht dem Beschwerdeführer
antragsgemäß,
14
über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger
wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
unter namentlicher Nennung oder in sonst erkennbarer
Weise zu berichten, insbesondere zu verbreiten:
15
"Im Blumentopf ihres (sc. C.P.) 18-jährigen
Sohnes X. wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung
der Staatsanwaltschaft wurden deshalb Räume und
Garten der Familie (sc. P.) in H. durchsucht. Gegen X.
wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes
gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet."
16
c) Die Berufung des Beschwerdeführers wies das
Hanseatische Oberlandesgericht mit dem hier angegriffenen
Urteil vom 26. Juli 2005 zurück. Zur Begründung
führte das Gericht - unter Bezugnahme auf die Gründe
des erstinstanzlichen Urteils - aus, dem Kläger
stehe ein Anspruch auf Unterlassung aus § 823 Abs.
1, § 1004 Abs. 1 BGB zu. Bei der vorzunehmenden
Abwägung zwischen dem Grundrecht des Beschwerdeführers
aus Art. 5 GG und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers
nach Art. 2 Abs. 1 GG müsse die Meinungsfreiheit
im vorliegenden Fall zurücktreten. Es erscheine
bereits zweifelhaft, ob angesichts der objektiven Belanglosigkeit
des Vorfalls überhaupt ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis
der Öffentlichkeit hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens
gegeben sei. Jedenfalls aber führe das geringe Lebensalter
des Klägers dazu, dass sein Interesse, nicht in
der Öffentlichkeit genannt zu werden, überwiege.
Als seinerzeit 18-jähriger Schüler sei er in
besonderem Maße schützenswert; dies folge
auch aus der Wertung der §§ 105 ff. JGG und
der hierzu ergangenen Richtlinien, die für den Schutz
des Persönlichkeitsrechts Heranwachsender besondere
Vorkehrungen, insbesondere den erleichterten Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung, vorsähen.
Vor diesem Hintergrund könnte das Veröffentlichungsinteresse
des Beschwerdeführers nur dann den Vorrang beanspruchen,
wenn es sich bei dem Berichtsgegenstand um ein besonders
herausragendes, ungewöhnlich brisantes Ereignis
handelte, hinsichtlich dessen ein gesteigertes Informationsinteresse
bestehe. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier aber
nicht vor, ohne dass dies weiterer Erörterungen
bedürfe. Vorliegend ergebe sich das Informationsinteresse
wesentlich daraus, dass der Kläger eine prominente
Mutter habe. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige aber kein
anderes Abwägungsergebnis. Ebenso unerheblich sei
es, ob der während des Besuchs der Stern-Journalisten
anwesende Kläger mit einer Aufnahme seiner Person
einverstanden gewesen sei. Denn selbst wenn er in die
Erstellung der Homestory eingewilligt hätte, läge
hierin nicht zugleich die Einwilligung in eine Berichterstattung über
das anschließende Ermittlungsverfahren.
17
Auch der Umstand, dass andere Presseveröffentlichungen
den Sachverhalt ohnehin bekannt gemacht hätten,
stehe einer Verurteilung des Beschwerdeführers nicht
entgegen, da nicht erkennbar sei, dass der Kläger
nicht auch gegen diese anderen Veröffentlichungen
vorgegangen sei. Im Übrigen könne sich ein
Verletzter aussuchen, gegen welche von mehreren Verletzern
er gerichtlich vorgehen wolle. Ob dem Beschwerdeführer
die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft und die Meldungen
renommierter Presseagenturen über das Ermittlungsverfahren
bekannt gewesen seien, könne offenbleiben. Denn
dies wäre jedenfalls nicht geeignet, den Beschwerdeführer
zu entlasten. Zwar habe er gegebenenfalls auf die inhaltliche
Richtigkeit derartiger Meldungen vertrauen dürfen,
dies entbinde ihn aber nicht von der eigenverantwortlichen
Interessenabwägung zu der Frage, ob die Verbreitung
der Nachricht zulässig sei. Ebenfalls unerheblich
sei, dass der Beschwerdeführer seine Nachricht auf
einer nicht kommerziellen Seite veröffentlicht habe,
die nur von wenigen Internetnutzern wahrgenommen werde,
da seine Seite immerhin weltweit zugänglich sei.
18
2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung
seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs-, Presse
und Informationsfreiheit) und einen Verstoß gegen
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das
Persönlichkeitsrecht des Klägers müsse
hinter seinen Grundrechten zurückstehen. Der Kläger
sei auch unter Berücksichtigung seines Lebensalters
nicht in erhöhtem Maße schutzbedürftig.
Er habe sich durch seine Teilnahme an dem Journalistenbesuch
freiwillig an die Öffentlichkeit begeben und sich
damit auch mit der Veröffentlichung der entsprechenden
Nachrichten einverstanden erklärt. Dies betreffe
nicht nur den Hergang des Besuchs selbst, sondern auch
die Berichterstattung über das sich anschließende
Ermittlungsverfahren. Insoweit müsse er es sich
insbesondere zurechnen lassen, dass auch seine Mutter
in ihrer eigenen Pressemitteilung Angaben über das
Ermittlungsverfahren gemacht habe.
19
Er - der Beschwerdeführer - habe auch aufgrund
der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft davon ausgehen
dürfen, dass die weitere Verbreitung der Nachricht
zulässig sei. Ferner habe seine Nachricht das Persönlichkeitsrecht
des Klägers auch deshalb nicht weiter verletzen
können, weil bereits zuvor zahlreiche Berichte in
großen Medien über den Vorfall erschienen
seien und damit eine besondere Medienöffentlichkeit
hergestellt hätten. Dabei sei insbesondere auch
eine Namensnennung zulässig, da diese nicht nur
bei schweren Straftaten, sondern auch dann, wenn aus
anderen Gründen ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit
bestehe, im Einzelfall erlaubt sei. Dies sei hier der
Fall, weil der Vorgang in der Öffentlichkeit großes
Aufsehen erregt habe.
20
Im Übrigen sei auch die Zielrichtung der streitgegenständlichen
Veröffentlichung zu berücksichtigen. Der Kläger
sei durch sie nicht in der Öffentlichkeit stigmatisiert
und an den Pranger gestellt worden. Vielmehr habe die
Veröffentlichung das Vorgehen der Staatsanwaltschaft
als überzogen und lächerlich kritisieren wollen.
Das ergebe sich bereits aus der Überschrift der
Rubrik auf der Internetseite des Beschwerdeführers.
21
Schließlich spreche das Verhalten des Klägers
gegen die Unterlassungsverpflichtung; dieser habe bis
zur gerichtlichen Geltendmachung lange zugewartet und
sei auch keineswegs gegen sämtliche Veröffentlichungen über
das Ermittlungsverfahren vorgegangen.
22
3. Der Bundesgerichtshof und der Kläger des Ausgangsverfahrens
haben sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert.
Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg
hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens
hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
II.
23
Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a
Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen,
weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers
angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende
Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz
1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
24
1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen
Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für
das Verhältnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit
zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen
Persönlichkeitsrecht bei der Berichterstattung über
Strafverfahren (vgl. BVerfGE 35, 202 <220 f.>;
97, 391 <404 f.>; 119, 309 <321 ff.>).
25
2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne
des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet.
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer
in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
26
a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen,
wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen
(vgl. BVerfGE 85, 1 <15>), was bei dem hier zu
beurteilenden Bericht über ein strafrechtliches
Ermittlungsverfahren offensichtlich der Fall ist.
27
Allerdings ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht
vorbehaltlos gewährt. Es findet vielmehr gemäß Art.
5 Abs. 2 GG seine Schranken im Recht der persönlichen
Ehre und in den allgemeinen Gesetzen. Hierunter fallen
insbesondere § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 analog
BGB, auf die das Oberlandesgericht den Unterlassungsanspruch
gestützt hat. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften
sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte.
Doch müssen sie hierbei das eingeschränkte
Grundrecht seinerseits interpretationsleitend berücksichtigen,
damit sein Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene
gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>;
85, 1 <16>; 99, 185 <196>, stRspr). Dies
verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen der
Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung
durch die Äußerung einerseits und der Einbuße
an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl.
BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>).
Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich
nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99,
185 <196>). Jedoch prüft das Bundesverfassungsgericht
nach, ob die Fachgerichte den Grundrechtseinfluss hinreichend
beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).
28
b) Die durch das Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung
genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen
nicht. Das Gericht hat nicht sämtliche vorliegend
zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in die Abwägung
eingestellt und die zugunsten des Beschwerdeführers
erheblichen Umstände unter Überschreitung des
den Fachgerichten zukommenden Abwägungsspielraums
teils fehlerhaft gewichtet.
29
aa) Die Ausführungen des Berufungsurteils zu dem
Gewicht der für die Veröffentlichung streitenden
Belange unterliegen bereits im Ausgangspunkt verfassungsrechtlichen
Bedenken. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, der
Berichterstattungsgegenstand sei objektiv belanglos und
begründe daher jedenfalls kein das Interesse des
Klägers, ungenannt zu bleiben, überwiegendes öffentliches
Informationsinteresse, deutet auf ein grundlegendes Fehlverständnis
des Gewährleistungsgehaltes der Meinungs- und Pressefreiheit
hin. Sie lässt nämlich nicht hinreichend erkennen,
ob das Gericht sich bewusst war,
dass es zunächst
vom Selbstbestimmungsrecht der Presse oder auch des journalistischen
Laien als Trägers der Meinungsfreiheit umfasst ist,
den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen,
und es daher nicht Aufgabe der Gerichte sein kann zu
entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert
ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer
des Ersten Senats vom 26. April 2001 - 1 BvR 758/97 u.a.
-, NJW 2001, S. 1921 <1922>). Die
Meinungsfreiheit steht nicht unter einem allgemeinen
Vorbehalt des öffentlichen
Interesses, sondern sie verbürgt primär die
Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über
die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation
mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein
in die Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches
Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden
kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich
bedenkliche Verkürzung dar, wenn das Oberlandesgericht
dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch
zuerkannt hat, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht
das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.
30
Hinzu kommt vorliegend, dass die Einschätzung des
Gerichts, es handele sich bei dem streitgegenständlichen
Berichtsthema um eine die Öffentlichkeit allenfalls
geringfügig interessierende Belanglosigkeit, in
augenfälligem Widerspruch steht zu der von den Gerichten
festgestellten Vielzahl weiterer Presseberichte über
diesen Gegenstand (vgl. zum Faktum der medialen Erörterung
eines Themas als Indiz für ein öffentliches
Informationsinteresse: Beater, Medienrecht, Rn. 995).
Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, dass das
Berufungsurteil im Anschluss an die Ausführungen
des Landgerichts allein die dem Kläger vorgeworfene
Straftat in den Blick genommen hat, ohne die Besonderheiten
des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts zu würdigen,
namentlich den Zusammenhang zwischen dem Ermittlungsverfahren
und seiner auch die Mutter des Klägers betreffenden
Vorgeschichte. So wird nicht deutlich, ob das Gericht
bedacht hat, dass das Vorhandensein einer Cannabispflanze
in dem Haushalt einer Spitzenpolitikerin im Hinblick
auf die Leitbildfunktion dieses Personenkreises und die öffentliche
Debatte um die Strafbarkeit des Besitzes von Betäubungsmitteln
durchaus ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse
nach sich ziehen kann, das sich gegebenenfalls auch auf
die von dem Beschwerdeführer verbreitete Meldung über
das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger erstrecken
kann. Ebenso wenig hat das Oberlandesgericht die kuriosen,
anekdotischen Elemente der Vorgeschichte gewürdigt,
die darin liegen, dass die Pflanze von Reportern entdeckt
wurde, die von der Mutter des Klägers zum Zweck
der Selbstdarstellung in ihr Haus eingeladen worden waren,
und dass die Mutter selbst durch die Bemerkung, die Pflanze
gehöre ihrem Sohn, bei dieser Gelegenheit den zur
Einleitung des Ermittlungsverfahren führenden Verdacht
auf den Kläger lenkte.
31
Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang offen gelassen
hat, ob der Kläger mit der Befragung durch die Journalisten
des "Stern" einverstanden gewesen ist und
sich hierdurch freiwillig selbst in die Öffentlichkeit
gestellt hat, fehlt es an einer tragfähigen Begründung
dafür, warum dies offen bleiben konnte. Zwar trifft
es zu, dass aus einer Einwilligung des Klägers in
die Reportage des "Stern" nicht ohne Weiteres
auf die Zulässigkeit der hier streitgegenständlichen
Meldung geschlossen werden könnte. Dies beruht aber
- wie das Oberlandesgericht durch Bezugnahme auf das
landgerichtliche Urteil zutreffend ausgeführt hat
- allein darauf, dass der Bericht über ein Ermittlungsverfahren
die Persönlichkeitsbelange des Klägers in anderer
Weise betreffen kann als die von der Einwilligung umfasste
Homestory. Es versteht sich allerdings nicht von selbst,
dass ein solcher Unterschied auch vorliegend bestand
und ein mögliches Einverständnis des Klägers
hinsichtlich der Homestory daher jedenfalls keine Auswirkungen
auf den Bericht über das nachfolgende Ermittlungsverfahren
gehabt hätte. Denn soweit aufgrund einer Einwilligung
des Klägers der Inhalt der Reportage und damit auch
die Äußerung Frau P. über die Hanfpflanze
ihres Sohnes verbreitet werden durften, hätte das
Gericht prüfen müssen, ob nicht schon hierdurch
die Rufschädigung des Klägers bewirkt war,
ohne dass die vom Beschwerdeführer verbreitete Meldung
ihr Wesentliches hinzugefügt hätte. Denn die
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist im Hinblick
auf das für die Staatsanwaltschaft geltende Legalitätsprinzip
eine wenigstens naheliegende Folge der Berichterstattung über
den Fund einer Hanfpflanze. Das Gericht hat auch nicht
festgestellt, dass durch die untersagte Berichterstattung
bei dem maßgeblichen Durchschnittspublikum etwa
der Eindruck entstehe, gegen den Kläger müssten
weitere Verdachtsmomente als der Fund der einen Pflanze
vorgelegen haben. Darauf, dass der vom Beschwerdeführer
verbreitete Artikeltext diesen Eindruck erwecken mag,
indem er die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erst
nach der Durchsuchung erwähnt, kann es nicht ankommen,
denn das angegriffene Urteil verbietet nicht nur die
Wiederholung dieser konkreten Äußerung, sondern
jeglichen Bericht über das Ermittlungsverfahren
gegen den Kläger.
32
bb) Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist weiter,
dass das Oberlandesgericht den Umstand, dass die dem
Kläger vorgeworfene Straftat nur von geringer Bedeutung
war, allein zur Bemessung des öffentlichen Informationsinteresses
herangezogen hat, nicht aber erkennbar berücksichtigt
hat, dass die Geringfügigkeit des Tatvorwurfs zugleich
geeignet sein kann, die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung
zu mindern. Das Bundesverfassungsgericht hat - wenn auch
erst nach Erlass des hier angegriffenen Urteils - bereits
entschieden, dass bei der Berichterstattung über
Strafverfahren die Schwere der in Frage stehenden Straftat
nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse,
sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden
Persönlichkeitsbelange Bedeutung erlangen kann.
So wird bei einer sehr schwerwiegenden Tat zwar einerseits
ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehen,
andererseits aber die Gefahr einer Stigmatisierung des
nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten erhöht
sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten
Senats vom 27. November 2008 - 1 BvQ 46/08 -, NJW 2009,
S. 350 <352>); ein entsprechendes Verhältnis
wird regelmäßig auch bei besonders leichten
Taten anzunehmen sein, sofern an ihnen aufgrund besonderer
Umstände des Einzelfalls ein Berichterstattungsinteresse
besteht.
33
cc) Nicht mit ausreichendem Gewicht in die Abwägung
eingestellt hat das Oberlandesgericht weiter den Umstand,
dass über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger
bereits durch eine Vielzahl anderer Medien berichtet
worden und es dadurch bereits einer breiten Öffentlichkeit
bekannt war. Das Gericht führt hierzu - durch Bezugnahme
auf das landgerichtliche Urteil - lediglich aus, dass
der bereits geschehene rechtswidrige Eingriff nicht perpetuiert
werden dürfe. Es trifft zwar zu, dass der Verweis
auf das rechtswidrige Verhalten Dritter einen Störer
grundsätzlich nicht entlasten kann. Andererseits
ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei dem
hier auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden
allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische,
für alle Zeiten feststehende Größe handelt,
sondern dass sein Bestand in gewissem Umfang auch von
der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit
abhängt und es seinem Träger keinen Anspruch
darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt
zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>;
97, 125 <149>). Der Umstand, dass eine - wahre
- Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit
bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person
schon wesentlich mitprägt, ist daher jedenfalls
geeignet, das Gewicht ihrer Weiterverbreitung gegenüber
dem Ersteingriff erheblich zu mindern (vgl. BGH, NJW
1999, S. 2893 <2895> unter Verweis auf EGMR, NJW
1999, S. 1315 <1318>). Die angegriffene Entscheidung
zeigt auch nicht auf, dass von diesem Grundsatz vorliegend
abgewichen werden müsste, weil etwa die Verbreitung
durch den Beschwerdeführer den Kreis der Rezipienten
erheblich erweitert habe. Die hierzu vom Oberlandesgericht
bestätigte Erwägung des erstinstanzlichen Urteils,
dass die Veröffentlichung im Internet geeignet sei,
eine potentiell unbegrenzte Öffentlichkeit zu erreichen,
ist eher theoretischer Natur.
34
c) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen schließlich
auch dagegen, dass das Oberlandesgericht der - mindestens
den Nachnamen des Klägers nennenden - Pressemitteilung
der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren
keinerlei rechtliche Bedeutung beigemessen hat. Jedenfalls
dann, wenn der - nicht ganz eindeutige - Vortrag des
Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren so zu verstehen
sein sollte, dass er die streitgegenständliche Meldung
in Kenntnis und im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit
der amtlichen Verlautbarung verbreitet hat, hätte
er nicht als unerheblich behandelt werden dürfen.
35
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Verlautbarungen
amtlicher Stellen wie insbesondere der Staatsanwaltschaft
ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf
(vgl. exemplarisch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, S. 732 <733> sowie
schon RGSt 73, S. 67). Zwar ist dies, wie das Oberlandesgericht
- durch Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil -
hier zutreffend ausgeführt hat, vor allem mit Blick
auf diejenige Sorgfalt angenommen worden, die die Fachgerichte
dem Äußernden hinsichtlich des Wahrheitsgehalts
seiner Tatsachenbehauptung abverlangen. Diese stand hier
nicht in Streit; auch der Kläger hat nicht bestritten,
dass die Staatsanwaltschaft infolge des Pflanzenfundes
ein Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmittelstraftaten
gegen ihn eingeleitet hatte. Allerdings dürfen auch
im Übrigen keine Sorgfaltsanforderungen zum Schutz
der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen postuliert
werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts
herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt
einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54,
208 <219 f.>; 61, 1 <8>; 85, 1 <17>).
Daher ist bei der Frage, in welchem Umfang das Vertrauen
in die Richtigkeit einer amtlichen Verlautbarung geschützt
ist, auch zu beachten, dass eine eindeutige Trennung
zwischen den tatsächlichen und den rechtlichen Aspekten
der zugrunde liegenden Abwägung oft nicht möglich
sein und sich dem Rezipienten nicht immer erschließen
wird. So kann die Abwägungsentscheidung der Staatsanwaltschaft
auf tatsächlichen Umständen beruhen, die der
Mitteilung weder entnommen noch vom Bürger selbständig
ermittelt werden können. Dieser wird - außer
bei offenkundigen Exzessen - insbesondere annehmen, dass
eine in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die
Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Betroffenen gebundene, auf Objektivität verpflichtete
Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit
erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren
unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht
bereits einigermaßen erhärtet hat, ohne aber
die Verdachtsmomente stets vollständig mitgeteilt
zu bekommen und eigenständig bewerten zu können.
Deshalb steht die Annahme, dass selbst journalistische
Laien nicht ohne Weiteres auf die Richtigkeit der einer
staatsanwaltschaftlichen Pressemitteilung vorausgegangenen
Abwägung vertrauen dürften, nicht weniger in
der Gefahr, eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit
zu bewirken, als überzogene Sorgfaltsanforderungen
hinsichtlich des Wahrheitsgehalts von Tatsachen aus allgemein
als zuverlässig beurteilten Quellen (vgl. hierzu
BVerfGE 85, 1 <22>).
36
Zwar ist der hier in Frage stehende Unterlassungsanspruch
verschuldensunabhängig, doch kann den verfassungsrechtlichen
Anforderungen jedenfalls bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr
Rechnung getragen werden. Die Möglichkeit, den guten
Glauben des Äußernden hier zu privilegieren,
ist nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung gegeben.
Zwar wird der im Wettbewerbsrecht entwickelte Grundsatz,
wonach die geschehene Rechtsverletzung die Wiederholungsgefahr
indiziert und erst eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
diese Wirkung entfallen lässt, auch auf den deliktischen
Unterlassungsanspruch angewendet. Der Bundesgerichtshof
hat aber bereits entschieden, dass er hier nicht mit
gleicher Strenge gilt, sondern das Deliktsrecht eher
Anlass geben kann, die Besonderheiten des Einzelfalls
zu berücksichtigen und etwa im Hinblick auf singuläre
Umstände der Verletzungshandlung eine Wiederholungsgefahr
zu verneinen (vgl. BGH, NJW 1994, S. 1281 <1283>).
Hiervon ausgehend hätte das Oberlandesgericht nicht
allein auf die Vermutungswirkung der rechtswidrigen Erstbegehung
abstellen dürfen, sondern berücksichtigen müssen,
ob der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit
der staatsanwaltlichen Mitteilung gehandelt hat und daher
nach dessen Erschütterung durch das an ihn und die
Staatsanwaltschaft gerichtete Unterlassungsverlangen
eine Wiederholung der Verletzungshandlung nicht zu erwarten
war.
37
d) Die angegriffene Entscheidung beruht auf den aufgezeigten
verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen,
dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu
einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.
38
3. Auf die weiter behaupteten Verstöße gegen
die Grundrechte auf Presse- und Informationsfreiheit
kommt es demnach nicht mehr an.
39
4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen
Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a
Abs. 2 BVerfGG |