Ein persönlicher
Erfahrungsbericht: (Sept. 2008)
Den nachfolgenden Text habe ich als Grundlage für eine Rede
im Europäischen Parlament vorbereitet. Eine Kommission untersucht
dort das Phänomen des internationalen Adressbuchbetrugs. Sie
hatte deswegen Betroffene, Abgeordnete und Schutzorganisationen eingeladen,
um mehr über die Hintergründe dieser Form des Wirtschaftsbetrugs
zu erfahren.
Adressbuchbetrug - eine deutsche Erfindung ?
Ich habe jahrelang im Internet eine Informationsseite zum Thema
Adressbuchbetrug unterhalten. Ich habe von Opfern dieser Betrugsbranche
tausende von emails mit Informationen erhalten - über Tricks
und Methoden, aber auch über die rechtlichen Rahmenbedingungen,
mit denen diese Art von Betrügern hantiert.
Dabei ist mir aufgefallen, dass es einige deutsche Besonderheiten
gibt, welche für den Adressbuchbetrug besonders nützlich
sind. Mir ist weiter aufgefallen: Hinter dem Adressbuchbetrug -
auch wenn er im Ausland stationiert ist - stecken fast immer deutsche
Drahtzieher.
Was ist so besonders an Deutschland, dass sich hier die Adressbuchbetrüger
so gut entwickeln konnten. Was hat den Adressbuchbetrug so stark
gemacht , dass er nun ein europäisches Problem geworden ist.
Adressbuchbetrüger sind mafiotisch organisiert.
Adressuchbetrüger bilden nach meinen Erfahrungen mafiotische
Netzwerke. Es sind immer die gleichen Personen, die sich gegenseitig
bei diesem Geschäft unter die Arme greifen und gegenseitig
in die Tasche wirtschaften oder Betrugsideen austauschen.
Das wichtigste Gesetz der Mafia ist bekanntlich das des Schweigens.
Mafiotische Netzwerke sind nur möglich auf der Grundlage der
Heimlichkeit, des Schweigens und Verschweigens. Öffentlichkeit
ist pures Gift für dubiose Geschäfte.
Ein mafiotisches Geschäft am Rande der Legalität - Wirtschaftsbetrug
vor allem - kann nur blühen und gedeihen, solange Informationen über
die Tätigkeit, über Tricks und Methoden - und über
die immer gleichen Hintermänner - unterdrückt und entwertet
werden können.
Information stört das betrügerische Geschäft
Natürlich gibt es in tagesaktuellen Medien Informationen zum Thema
Adressbuchbegtrug - aber sie bilden keine Gefahr
für die Mafia.
Denn solange man selber nicht betroffen ist, hört man bei
solchen Berichten nur halb hin.
Anders ist es mit Internet Infos - sie stehen dann zur Verfügung,
wenn sie gebraucht werden. Das Internet ist also als Informationssystem
für diese Art von Betrug sehr gefährlich und schädlich.
Das haben auch die Betrüger erkannt und sie finden in Deutschland
hervorragende Bedingungen vor, um solche Internet Informationen
auszuschalten.
Die Unterdrückung von Informationen in Deutschland.
Am wichtigsten für Wirtschaftsbetrüger ist daher die
Tatsache, dass in Deutschland das grundrechtlich verbriefte Recht
auf freie Meinungsäusserung und freie Information in
der Praxis nicht funktioniert.
Stattdessen gibt es einen eingespielten Apparat zur Unterdrückung
von Informationen - und der funktioniert ausgezeichnet.
Das deutsche Rechtssystem erlaubt es, jede kritische Äusserung
im Vorfeld erst einmal zu verbieten. Dafür
gibt es die rechtliche Instanz der Einstweiigen Verfügung.
Jeder kann in Deutschland durch eine Einstweilige Verfügung
einem Dritten eine Äusserung verbieten. Ohne Gerichtsverfahren
und ohne Anhörung des Betroffenen.
Derjenige, der die Einstweilige Verfügung erwirkt, muss nicht
beweisen, dass die Äusserung falsch oder herabwürdigend
ist - er muss es nur glaubhaft machen. Meist geschieht dies durch
eine Eidesstattliche Versicherung.
Es wird zum Beispiel an Eidesstatt versichert, dass man ein ehrliches
Geschäft betreibt und daher nicht Betrüger genannt werden
darf. Vor allem auch, weil man ja noch nie wegen Betrugs verurteilt
worden sei.
Die Äusserung mit dem Begriff "Betrüger" wird
daraufhin erst einmal verboten.
Nun muss derjenige, der die Äusserung gemacht hat, beweisen,
dass seine Äusserung berechtigt ist. Nur dann und erst dann
wird das Verbot wieder aufgehoben.
Das kostet Geld und Zeit - und davon steht einem Wirtschaftsbetrüger
reichlich zur Verfügung - einem freien Journalisten oder normalen
Bürger aber nicht.
Der Streitwert als tödliche Waffe
Es gibt noch einen weiteren Giftstachel im Köcher der Einstweligen
Verfügung, der jedes weitere Bestehen auf dem Recht zur freien
Meinungsäusserung zum Harakiri Unternehmen macht. Das ist
der Streitwert. In Deutschland berechnen sich die Gerichts-
und Anwaltskosten nach dem Streitwert.
Dieser Streitwert wird von demjenigen festgesetzt, der die Einstweilige
Verfügung beantragt. In menem Fall ging es regelmässig
um mehr als hunderttausend Euro. Und das in Dutzenden von Verfahren.
So kann der wirtschaftlich Mächtige leicht im Vorfeld durch
einen hohen Streitwert jede Gegenwehr im Keime ersticken.
Die Verfügungspraxis sieht so aus:
Es gibt viele Methoden, das Äusserungsrecht zu beschneiden.
So wird beispielsweise ein nebensächlicher Vorwand genutzt,
um eine damit zusammenhängende Information zu unterdrücken.
Beispiel Nr 1:
Ich hatte die Firma Eye Net als Dienstleister für mehrere
Adressbuchbetrüger benannt. Sie programmierte Adressengräber,
gastaltete den Webauftritt, optimierte Suchmaschienen für
Adressbuchbetrüger und der Eigentümer von Eye net war
einige Zeit als Geschäftsführer für die Novachannel
in der Schweiz tätig. Novachannel ist eine Firma des Meinolf
Lüdenbach, der hinter vielen international tätigen Betrugs-Firmen
steckt.
Ich hatte unter anderem auf meiner Internet Seite geschrieben:
"Er wird im Impressum von Novachannel genannt"
Falsche Tatsachenbehauptung, erkannte das OLG München: Denn
zum Zeitpunkt der Einstweiligen Verfügung war das Impressum
nicht mehr online. Es hätte also heissen müssen: "er wurde im
Impressum von Novachannel genannt"
Die Folge derartiger "falschen Tatsachenbehauptungen" war
Kostenteilung - ich musste die Hälfte der Prozesskosten tragen
- was bei den hohen Streitwerten natürlich für einen
Normalmenschen unbezahlbar ist.
Wer wagt es denn unter solchen Umständen noch, sich im Internet
kritisch zu äussern ?
Beispiel 2:
Ich bin als Fernsehjournalist selbständig und biete Dienstleistungen
an, die auch das Internet betreffen - also zum Beispiel Internet
Videos. Die Firma Eye net bietet ebenfalls Internet Videos an -
neben ihrer Tätigkeit für die Adressbuchbetrüger.
Das OLG München befand, dass ich und Eye net wegen des gleichen
Angebots Konkurrenten seien - dass hier also ein Konkurrenzunternehmen
von mir schlecht gemacht wurde.
Wettbewerbsrechtlich gelten in Deutschland strenge Masstäbe
- Unternehmen dürfen sich nicht gegenseitig schlecht machen.
So etwas gilt grundsätzlich als niederer Beweggrund (Abwerbung
von Kunden). Durch die Kosntruktion eines Wettbewerbsverhältnisses
konnte das Informationsrecht so dem Wettbewerbsrecht untergeordnet
werden.
Viele Wege führen zum Informationsverbot: Beispiel
Beleidigungsgesetze
Es gibt noch eine Vielzahl von Gesetzen, die das Recht auf freie
Meinungsäusserung in Deutschland einschränken. Am schlimmsten
sind wohl die Beleidigungs- und Ehrengesetze, die noch aus der
Kaiserzeit stammen. Sie werden genutzt, um kritische Äusserungen
als beleidigend und herabwürdigend zu verbieten. Welche
kritische Meinung zu einem Produkt oder einer Person hat denn keinen
herabwürdigenden Charakter ?
Die Leichtigkeit, mit der in Deutschland gegen öffentliche
Äusserungen vorgegangen werden kann, die vielfältigen
Einschränkungen des Äusserungsrechtes in Deutschland
sind meiner Ansicht nach der wesentliche Grund, warum Wirtschaftsbetrug
hier so erfolgreich blüht und gedeiht.
Buskeismus
Dass diese Einschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit
in Deutschland nicht nur meine private Meinung ist, sondern
von vielen Journalisten und Presseorganen so gesehen wird, belegt
ein neuer Begriff, der im Internet die Runde macht:: "Buskeismus".
Buskeismus ist abgeleitet vom Namen eines Richters namens Buske.
Dieser Richter ist in der Pressekammer des Hamburger Landgerichts
tätig. Mit dem Begriff Buskeismus wird eine ausserordentlich
rigide Maulkorbpraxis beschrieben, wie sie in Deutschland von immer
mehr Gerichten praktiziert wird.
Wenn Sie den Begriff "Buskeismus" einmal googeln, werden
Ihnen die Augen aufgehen.
Ich glaube, dass der schwierige Umgang mit der Redefreiheit und
die vielfältigen Möglichkeiten, diese zu behindern, eine
deutsche Spezialität ist.
Mafia
Die in Deutschland so leichte Behinderung der Informationsfreiheit
ist daher meiner Ansicht nach eine wesentliche Ursache dafür,
dass die Adressuch-Mafia in Deutschland so erfolgreich agieren
konnte. Aber die Adressbuchmafia ist nur der kleinere Teil einer
immer mächtiger werdenden Wirtschaft, die dank erstklassig funktionierender
Infiormationsbeschränkung immer unbehelligter agiert
- ob mit Aktienbetrug, Korruption, Investment-Abzocke, Vetragserschleichung
oder mafiotisch organisierten Preisabsprachen.
Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben. |