Der Internetfaktor
und die Abschaffung der Waffengleichheit
Warum die Meinungsfreiheit
keine Chance hat
Vor dem Internetzeitalter gab es eine Art Gleichgewicht
zwischen den Interessenten an den gegensätzlichen Grundrechten "Meinungsfreiheit" und "Persönlichkeitsschutz".
Die Presse kritisierte und die Kritisierten konnten vor Gericht
gehen - und beide konnten sich wehren. Meist war das nicht
nötig, denn die Kritik von heute ist ja morgen schon
der Schnee von gestern. Solange es um Presseberichte geht.
Nun hat sich durch das Internet das Gewicht völlig verschoben.
Nicht nur, dass Informationen und Meinungen dann abgefragt werden
können, wenn sie gebraucht werden. Auf einmal gibt es hunderte
(tausende ?) von Menschen, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen
- meist in Form von Kritik - was ja vorher nur in der Kneipe oder
privat stattfand. All diese Menschen sind in dem Glauben erzogen,
dass wir in einer freien Gesellschaft leben, die mit den Grundrechten
die freie Meinungäusserung für jedermann garantiert.
Eine wunderbare Chance für echte Demokratie - basisorientiert
und spannend, denn dass bald das Spektrum der Meinungen aufs
vielfältigste auseinanderklaffen würde, war klar. Jeder
Mensch würde sich seine eigene Meinung bilden müssen
- durch Abwägen vieler Informationen und kritisches Hinterfragen
vieler Mein ungen - eine neue, mündige Gesellschaft könnte
so entstehen.
Aber die Nutzniesser des alten Systems wollten sich nicht so
einfach ihre Pfründe nehmen lassen. Die Presse beschimpfte
das Internet als Debattierklub
der ungewaschenen Massen (Süddeutsche - Graff). Wirtschaftsbetrüger
und Politiker, Prominente und dubiose Geschäftemacher gingen
gegen die Inetrnet Kritiker mit Abmahnungen und Unterlassungsklagen
vor.
Die Bürger, die sich im Internet mit kritischen Informationen
und Meinungsäusserungen ihr gutes Recht leisten, haben natürlich
nicht das Geld, um solche juristischen Kriege zu führen. Und
wenn sich der eine oder andere doch darauf einlässt - dann
Gute Nacht Michael Kohlhaas.
Denn gegen die gewieften Anwälte kapitalkräftiger Gegner
hat der "Wald und Wiesen" Anwalt eines Betroffenen keine
Chance. Es gibt mehr und mehr Urteile die das Persönlichkeitsrecht
schützen und die angegriffene Meinungsäusserung zu einem
ruinösen Hobby machen.
Je mehr Urteile gegen die Meinungsfreiheit gefällt
werden - umso geringer wird die Chance für die Meinungsfreiheit
im nächsten Streitfall.
Denn die Pflicht der Richter, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung
zu erhalten, sorgt dafür, dass Urteile, die gegen die Meinungsfreiheit
ergangen sind, berücksichtigt werden müssen.
Der einzige Korrekturfaktor - BGH und Bundesverfassungsgericht
- kommen nicht zum Zug, weil schon aus Kostengründen Otto
Normalverbraucher da nie ankommt.
Wenn es überhaupt bis zum Gerichtsverfahren kommt.
Meistens wird das Recht auf "Meinungsfreiheit" ja sowieso
schon auf dem Abmahnungsweg erledigt.
So entsteht also durch die finanzielle Übermacht derjenigen,
die an freien Meinungsäusserungen nicht interessiert sind,
eine Rechtspraxis, in der dem Grundrecht auf freie Meinungsäusserung
eine Fülle von Urteilen entgegensteht, welche dieses Grundrecht
abschneiden.
Demokratie ade. |