Landgericht
Dresden -
Geschäftszeichen: 5-0-3696/01 -
verkündet am: 02.10.2001
Frank, J Sekr. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
IM
NAMEN DES VOLKES
In
dem Rechtsstreit
Online
Verlag GmbH
g.v.d.d. GF Wolfgang Lohmüller Kaiserwerther Str. 115, 40882 Ratingen
Verfügungsklägerin
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Zwipf & Rosenhagen, Palaisplatz
3, 01097 Dresden
g
e g e n
M_P...
Verfügungebeklagter
Proz. - Bev.: Rechtsanwälte Hardt & Fritz Königstr. 46
a, 23552 Lübeck
wegen
Einstweiliger Verfügung
erlässt
die 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden durch Richter am Landgericht
Dr. Märtens als Vorsitzenden, Richter am Landgericht Klerch
und Richterin Liebner als beisitzende Richter, aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 11.09.2001 folgendes`
URTEIL
I.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom
09.08.2001 wird zurückgewiesen.
II.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vo"streckbar. Die Verfügungsklägerin
kann die Zwangsvo"streckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 6.150,00 DM abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklagte
vor der Vo"streckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T
A T B E S T A N D
Die
Verfügungsklägerin ist eine GmbH mit Sitz in Ratingen,
die unter der Internetadresse "www.firmenanzeiger.de"
ein Online - Firmenregister unterhält. Sie begehrt von dem Verfügungsbeklagten
die Unterlassung verschiedener Äußerungen, die dieser auf
seiner unter "www.ergo-film.de/6-Online/online.html"
zu erreichenden Website getätigt hat. Der Verfügungsbeklagte
ist als Journalist tätig und hat als Privatperson unter Verweis
auf seine journalistische Tätigkeit diese Website eingerichtet,
die die Überschrift "Unterlagen und Infos zum Thema Online
- Verlage" trägt und fortlaufend von ihm aktualisiert wird.
Dort bietet er auch Dritten ein Forum für Beiträge zu diesem
Thema an, wobei er die Website verwaltet und zugesandte Beiträge
teilweise einstellt.
Die
Verfügungsklägerin versendet im Rahmen von Aquisitionen
von Kunden Formulare zur Aufnahme in das Online - Firmenregister,
die von den potentiellen Geschäftskunden im Einzelnen auszufüllen
und zurückzusenden sind. Die Vorderseite des dabei verwendeten
Formulares ist wie folgt gestaltet:
-
Kopie der Offerte -
Der
Verfügungsbeklagte hatte in der Vergangenheit selbst ein nach
Inhalt und Aufmachung wesensgleiches Formular der Firma Online -
Fachverlag, Inhaber Uwe Raeder mit Sitz in Ingolstadt, in der Annahme
ausgefüllt, dass der Grundeintrag in das Firmenverzeichnis kostenlos
sei. In der Folgezeit hatte er einen gegen diese Firma wegen des
Vertragsschlusses angestrengten Zivilprozess erfolgreich durchgeführt.
Vor diesem Hintergrund tätigte der Verfügungsbeklagte auf
der genannten Website unter anderem die nachfolgenden Veröffentlichungen.
Unter
der Überschrift "Unterlagen und Infos zum Thema Online
- Verlage" erfolgt unter Ziffer 6.8 mit dem Hinweis "3
Jahre Haft in einem anderen Offertenschwindel, hier das Urteil nebst
Begründung (BGH im April 2001)" ein Verweis auf das genannte
BGH - Urteil (Aktenzeichen 4 StR 439/00), zu welchem man durch Anklicken
gelangen kann.
Unter
Ziffer 5.8 befindet sich ein Link unter dem Titel "Noch ein
betrogener Rechtsanwalt zieht in denKrieg", durch den man zu
einem Beitrag des Rechtsanwalts Lauppe Assmann gelangt, den der Verfügungsbeklagte
mit in seine Website eingeste"t hat.
Desweiteren
befindet sich unter der Überschrift "Unterlagen und Infos
zum Thema Online - Verlage" die Äußerung:
"Vorsicht vor diesen gleichartigen "0nline" Verlagen:
"0nline Fachverlag" in Ingolstadt - Inhaber Uwe Raeder (www.online-branchenregister.de) "0nline
Verlag GmbH in Ratingen - Inhaber Ludwig - Friedrich - Johann Henghuber
(www.firmenanzeiger.de)
"0nline Gewerbedatenverlag" in Köchingen, Inhaber: Oliver
Heller (www.online - gewerbedaten.de). Sie bieten Eintragungen in ein
Firmenverzeichnis an. Das Formblatt, das sie verschicken, erweckt den
Eindruck, als sei der Grundeintag kostenlos (wie in Adresshandbüchern üblich).
Dann kommt die dicke Rechnung. Ein harmloses Sternchen im Formular
verweist auf einen Anhang mit Kosten Nennung... Alle diese "Firmen" arbeiten
mit: dem gleichen Formblatt und der gleichen Methode."
Die
Verfügungsklägerin beantragt,
I.
Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu
500.000,00 DM und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, von Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten,
1.
privat oder im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit
der Online Verlag GmbH
a.)
ein Urteil des BGH wegen eines Offertenschwindels (AZ: 4 StR 439/00)
zu erwähnen, auf dieses zu verweisen oder dieses der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen;
b.)
von noch einer betrogenen Person, wie hier geschehen unter der
Überschrift "Noch ein betrogener Rechtsanwalt zieht in den
Krieg", zu sprechen;
c.)
geschäftsschädigende Äußerungen von Dritten
Personen in Ihrer Website www.ergo-film.de/6-Online/online.html
oder auf Unterseiten dieser Website oder auf anderen von Ihnen
eingerichteten oder noch einzurichtenden Medien, die für die Öffentlichkeit
zugänglich sind, zu veröffentlichen oder zu verbreiten,
wie dies unter der Site www.ergo-film.de/6-Online/6f-News/AR -
Lauppe - a 1.html erfolgte mit dem Inhalt:
"Rechtsanwalt
Lauppe - Assmann zieht in den Krieg"
Ich, der Kanzlei Inhaber war leider selber so blöd, in der Hektik
des Tagesgeschäftes auf die Online - Fachverlagbetrüger hereinzufa"en
und habe den Betrug erst bemerkt, als 2 andere Mandanten um Hilfe baten.
Eine weitere am Sitz des Betrügerverlages, diese ist bereits eingestellt
Ich will und werde den Betrügern, die dann auch noch frech versuchen,
ihre Opfer zu verhöhnen "(wenn die so blöd sind so was
zu unterschreiben, dann... )"
das Handwerk legen!..."
2.
den Online Verlag GmbH im Zusammenhang mit Warnhinweisen als "Vorsicht
vor gleichartigen Online Verlagen" (Verfügungsklägerin)
im Zusammenhang mit der Benennung des Online Fachverlages in Ingolstadt,
Inhaber Uwe Raeder sowie des Online Gewerbedatenverlages in Kösching,
Inhaber Oliver He"er, zu benennen, insbesondere wie auf der
Website www.erga - film.de16 Onlinelonline.html erfolgt.
II.
die in vorstehender Ziff. I.l. sowie 1.2. beanstandeten Behauptungen
und Aussagen auf seiner Website www.ergo-film.de16 Onlinelonline.html
zu veröffentlichen und zu verbreiten.
Der
Verfügungsbeklagte beantragt,
die Verfügungsklage abzuweisen.
Zur
Ergänzung des Sach - und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E
:
Der
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen,
da er im einstweiligen Verfügungsverfahren zwar zulässig,
im Ergebnis aber unbegründet ist.
Der
Verfügungsklägerin stehen die im Einzelnen geltend gemachten
Unterlassungsansprüche nicht zu. Derartige Unterlassungsansprüche
ergeben sich vorliegend weder aus den deliktsrechtlichen Vorschriften
der §§ 823 ff. BGB, noch aus § 1004 Abs. 1 BGB analog.
Die
im Rahmen dieser Tatbestände jeweils vorzunehmende Abwägung
zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin
einerseits und des Rechts auf freie Meinungsäußerung und
Zugänglichmachung an einen größeren Kreis von Informationsempfängern
des Verfügungsbeklagten andererseits geht jeweils zugunsten
des Verfügungsbeklagten aus. Dabei ist maßgebend, dass
Tatsachenbehauptungen, die bewußt unwahr sind oder deren Unwahrheit
feststeht, nicht schutzwürdig sind und ebenso kein überwiegendes
Interesse an Werturteilen bestehen kann, deren Äußerung
sich als Angriff auf die Menschenwürde, Schmähkritik oder
reine Formalbeleidigung darstellt.
1.
Vor diesem Hintergrund ist die Erwähnung bzw. der Verweis auf
ein Urteil des BGH wegen Offertenschwindels mit dem Aktenzeichen 4
StR 439/00 nicht zu beanstanden.
Zwar
kann durch die Stellung unter der Überschrift "Unterlagen
und Infos zum Thema Online - Verlage" der Eindruck erweckt werden,
dass es sich bei dem Urteil um eine Entscheidung in einem vergleichbaren
Fall handelt. Andererseits macht die Formulierung:
"3 Jahre Haft in einem anderen Offertenschwindel .... "
auch hinreichend deutlich, dass sich die zitierte Entscheidung gerade
auf einen anderen Fall bezieht. Hinzukommt, dass man unter dem Link: "Hier
das Urteil nebst Begründung" das Urteil lesen kann und so
gerade nicht lediglich ein pauschaler Verweis auf einen anderen Fall
erfolgt, sondern dem Informationsempfänger die Möglichkeit
gegeben wird, das Urteil selbst zu lesen und sich ein eigenes Bild über
eine mögliche Vergleichbarkeit mit dem Geschäftsverhalten
und der Vorgehensweise der angesprochenen Online Verlage zu machen.
Eine Verknüpfung dahin, dass das genannte BGH - Urteil gegen die
Verfügungsklägerin ergangen wäre, läßt sich
nicht anstellen. Auch drängt der Verfügungsbeklagte dem Leser
keine Vergleichbarkeit bzw. Parallelen auf, sondern ermöglicht
durch den insoweit neutralen Abdruck des Urteils einen eigenständigen
Vergleich der jeweiligen Tatbestände und eine eigene Subsumtion
unter die angesprochenen Rechtsfolgen.
Auch
ist nach Ansicht der Kammer der dem BGH - Urteil zugrundeliegende
Fall mit den Geschäftspraktiken der Verfügungsklägerin
nicht derart unvergleichbar, dass schon die bloße Erwähnung
des Urteils im Zusammenhang mit den Online Verlagen als völlig
abwegig und willkürlich aus der Luft gegriffen betrachtet werden
müßte und sich schon daraus ein Überwiegen der Interessen
der Verfügungsklägerin ergeben würde.
2.
Bei dem Hinweis auf "noch eine betrogene Person" ist nach
Ansicht der Kammer die Grenze zur unzulässigen Meinungsäußerung
nicht überschritten.
Dabei
war insbesondere zu berücksichtigen, dass nach der allgemeinen
Verkehrsauffassung und dem Sprachgebrauch der Ausdruck
"sich - betrogen - fühlen" nicht unbedingt mit einem
strafrechtlichen Betrug im Sinne von § 263 StGB gleichzusetzen
ist. Danach kann nach der allgemeinen Verkehrsauffassung eine betrogene
Person schon dann vorliegen, wenn diese von dritter Seite zu etwas
veranlaßt wurde, was sie nach Art oder Tragweite nicht in ihren
Willen aufgenommen hatte. Nachdem der Verfügungsbeklagte selbst
beim Ausfüllen seines Formulares einem Irrtum unterlag und einige
Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Absicht seitens des
Verlages hatte, kann er von sich als einer im oben genannten Sinne
betrogenen Person sprechen, ohne dass er damit die Grenze zur unzulässigen
Schmähkritik überschreitet. Nachdem der mit noch einer betrogenen
Person gemeinte Rechtsanwalt in einer an den Verfügungsbeklagten
gesandten E - mail selbst von Betrug sprach, konnte der Verfügungsbeklagte
auch davon ausgehen, dass auch er sich als betrogene Person fühlt.
3.
Auch der Antrag, geschäftsschädigende Äußerungen
von dritten Personen, wie die des Rechtsanwalts Lauppe-Assmann
nicht auf der Website oder anderen Medien zu veröffentlichen und
zu verbreiten, ist nicht begründet.
Soweit
mit dem Antrag begehrt wird, dem Verfügungsbeklagten zu untersagen,
künftige Äußerungen dritter Personen auf seiner Website
zu veröffentlichen, ist der Antrag zu unbestimmt. Soweit sich
der Antrag auf die Äußerung des Rechtsanwalt Lauppe -
Assmann bezieht, hat der Verfügungsbeklagte auf der Startseite
im Internet zwar eine Distanzierung dergestalt vorgenommen, dass
Mitteilungen Dritter nicht in jedem Fall seine eigene Meinung darstellen
und - soweit Links auf anderen Seiten errichtet wurden - er sich
ausdrücklich vom Inhalt verlinkter Seiten distanziert. Dennoch
kann die Veröffentlichung und Verbreitung der Meinungen Dritter
in diesem Rahmen zu untersagen sein, wenn gerade dies einen rechtswidrigen
Eingriff in die Rechte der Verfügungsklägerin darstellt.
Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Zwar ist in der verbreiteten
E - Mail des Rechtsanwalts Lauppe - Assmann von "Betrug" und "Bertrügerverlagen"
die Rede, dennoch stellt auch dies ersichtlich eine Meinungsäußerung
und das Aufstellen rechtlicher Schlußfolgerungen aus einem zugrundeliegenden
Verhalten dar.
Im Übrigen hält die Kammer das von der Verfügungsklägerin
verwendete Formular für objektiv geeignet, einen nicht unerheblichen
Teil des Adressatenkreises über die Entgeltlichkeit der Leistung
und die Dauer der vertraglichen Bindungen zu täuschen. Der Hinweis
auf die Entgeltlichkeit auch des "Grundeintrages", der jährlich
845 Euro kosten soll, ist so unauffällig in den unten stehenden "Hinweisen" des
Formulares plaziert, dass er nur bei gründlicher Lektüre
des gesamten Formulares auffällt. Auf den ersten Blick stellt
sich für den Leser der "Grundeintrag" als kostenlos
dar, da in der Spalte, in der bei "Sondereinträgen" ausdrücklich
auf einen "Aufpreis" hingewiesen wird, beim "Grundeintrag"
keine Preisangabe enthalten ist.
Da die Klägerin das Formular trotz Bekanntwerdens von Beanstandungen
in der Folgezeit nur unwesentlich verändert weiter verwendet,
kann auch von einer bewußten und planmäßigen Irreführung
und gewollten Verschleierung der mit Unterschriftsleistung entstehenden
Verbindlichkeiten ausgegangen werden. Eine rechtliche Wertung dieses
Verhaltens als Betrug liegt deshalb tatsächlich nahe, so dass
ein entsprechender Vergleich nicht als reine Schmähkritik zu werten
ist und die Verbreitung einer solchen Äußerung Dritter nicht
zu beanstanden ist.
4.
In dem Hinweis "Vorsicht vor gleichartigen Online Verlagen"
im Zusammenhang mit der Benennung der anderen aufgeführten Online
Verlage liegt kein unzulässiger Vergleich.
Die
Kammer ist diesbezüglich der Ansicht, dass sowohl die von den
Verlagen verwendeten Formulare als auch die damit beabsichtigte Geschäftspraktik
in den wesentlichen Zügen gleichartig sind. Sie alle bieten
dieselbe Dienstleistung mit Eintragungsformularen an, die von Stil,
Aufmachung und Inhalt wesensgleich und beinahe identisch sind. Die
Wesensgleicheit bezieht sich dabei auch jeweils auf genau die Punkte,
die nach Ansicht der Kammer geeignet sind, einen diesbezüglichen
Irrtum bei einem nicht unerheblichen Teil des Adressatenkreises hervorzurufen.
5.
Nachdem die vorgenannten Anträge Jeweils unbegründet sind,
kann auch der Antrag der Verfügungsklägerin, die beanstandeten
Behauptungen und Aussagen auf der Website zu veröffentlichen und
zu verbreiten, nicht zum Erfolg führen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus §§ 708 Nr. 6, 711 Satz 1 ZPO.
Dr. Märtens - Richter am Landgericht
Klerch - Richter am Landgericht
Liebner - Richterin am Landgericht
B
E S C H L U S S :
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 250.000,00 DM festgesetzt.
Dresden, den 18. Okt, 2001
Landgericht Dresden
|