Informations- und Meinungsfreiheit in Deutschland
   
 

Gesellschaftliche Tabuisierung der Meinungsfreiheit

"Das ist nicht Respekt, sondern Unterdrückung"
Flemming Rose, Initiator der Mohammed-Karikaturen, über Meinungsfreiheit, Angst und Sarrazin in einem Interview
 in der Welt

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Rose: Die meisten europäischen Staaten ziehen bei der Debatte um die freie Meinungsäußerung falsche Schlüsse. Die Rufe nach neuen Gesetzen, die einzelne Gruppen vor Beleidigungen schützen, werden lauter. Immer mehr Äußerungen werden kriminalisiert, mit der Folge, dass immer neue Minoritäten einen Schutz vor Kränkungen jedweder Art für sich beanspruchen. Die wachsende kulturelle und religiöse Vielfalt wird zunehmend mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit beantwortet.

Die Welt: Zum Beispiel?

Rose: Die EU hat 2007 auf Betreiben Deutschlands eine Rahmendirektive erlassen, die alle Mitgliedsstaaten auffordert, Gesetze zu implementieren, die die Leugnung des Holocausts unter Strafe stellt. Eine Kriminalisierung aber ist der falsche Weg. So konserviert man nur die Auffassung der Holocaust-Leugner. Stattdessen sollte man versuchen, die Irrenden mit Argumenten und Fakten zu überzeugen. Es geht hier aber gar nicht um den Holocaust, sondern allgemein um die Begrenzungen der Meinungsfreiheit. Europa sollte da seinen Weg überdenken. Auch weil wir nicht in anderen Teilen der Welt das freie Wort einfordern können, wenn wir selbst Gesetze haben, die es beschränken.

Die Welt: Wo liegt Ihre Grenze?

Rose: Für mich ist die Grenze der freien Meinungsäußerung erreicht, wenn zu Gewalt aufgerufen wird. Eine zivilisierte Gesellschaft zeichnet sich durch den Streit der Worte aus. Der Unterschied zwischen Worten und Taten ist entscheidend. Das Problem ist, dass diese Unterscheidung heutzutage immer weniger gemacht wird. Kränkende Äußerungen werden mit kränkenden Handlungen gleichgesetzt.

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Rose: Die totalitären Ideologien haben ähnliche Muster. Ich denke, dass sich zu wenige vom Islamismus distanzieren, aber die Argumente sind andere als in den 30er-Jahren. Früher hatte man Angst, etwas zu sagen wegen der befürchteten Reaktionen. Heute heißt es, man wolle keine schwache Bevölkerungsgruppe treffen, Kritik könne schnell rassistisch werden und so weiter. Deshalb halten wir uns mit Kritik zurück. Ich denke, das ist oft eine schlechte Entschuldigung. In Wirklichkeit geht es um die Angst vor gewalttätigen Reaktionen. Heute fällt es uns schwer zu akzeptieren, dass Gewalt Argument einer öffentlichen Debatte geworden ist. Das passt nicht zu unserem Selbstbild.

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