Meinungsfreiheit
in der Adresszeile: Der OGH hat nichts dagegen einzuwenden,
wenn unzufriedene Kunden eines Unternehmens unter einer Internetadresse,
welche auch den Namen einer Firma beinhaltet, ein kritisches Forum
betreiben.
Die Meinungsfreiheit reicht bis in die Adresszeile von Internet-Browsern:
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat nichts dagegen einzuwenden, wenn unzufriedene
Kunden eines Unternehmens sich dessen Namen gleichsam ausleihen, mit
einem Trennstrich und dem Wort
"unzufriedene" versehen und unter der neu gebildeten Internetadresse
("Domain") ein kritisches Forum betreiben.
"Für die Zulässigkeit
kritisierender Domains kann nichts
anderes gelten als für die Zulässigkeit kritischer Auseinandersetzungen
in anderen Medien", formulierte der OGH. "Dass die Kritik nicht (z.B.)
in einem Buchtitel oder in der Überschrift eines Zeitschriftenbeitrages,
sondern einer
kritisierenden Domain ausgedrückt wird, kann rechtlich
keinen Unterschied bedeuten" (17 Ob 2/09g).
Den Anlass für die Auseinandersetzung bot ein Unternehmen, das unter
der Domain www.aquapol.at Mauerentfeuchtungen
anbietet. Eigenen Angaben zufolge handelt es sich um eine innovative
und umweltfreundliche Technologie: Ein unter Nutzung von "Erdenergie" erzeugtes "gravomagnetisches" Feld
drücke das Wasser gleichsam nach unten. "Zur Wirkung und zum
Erfolg dieses Verfahrens bestehen auch unter gerichtlichen Sachverständigen
unterschiedliche Ansichten", heißt es in dem Urteil weiter.
Ganz und gar nicht überzeugt ist ein ehemaliger Kunde, der für
11.451,30 Euro ein solches Wunderwerk der Technik erstanden hatte, dessen
Mauerwerk aber nicht wie versprochen nach drei Jahren getrocknet war.
Unter
www.aquapol-unzufriedene.at betreibt
er nun eine Website, die zum "möglichst sachlichen" Austausch
von Erfahrungen mit der Methode Aquapol einlädt.
Umstrittene Mauertrocknung
Das wiederum stößt auf geringe Begeisterung beim ursprünglichen
Namensgeber: Der Betreiber von www.aquapol.at klagte
auf Unterlassung. Das Gericht möge seinem Kritiker verbieten, "aquapol" als
Teil einer Internetadresse zu verwenden.
Doch vor dem OGH drang
der Kläger weder unter Berufung auf den Marken- noch auf den Namensschutz
noch auf das Persönlichkeitsrecht gegen den von Anwalt Anton Hintermeier
(Lukesch Hintermeier und Partner, St. Pölten) vertretenen Beklagten
durch.
Der Markenschutz konnte nicht greifen: Er setzt voraus, dass
der durchschnittliche Konsument annehmen muss, dass das umstrittene Zeichen
als "betriebliches Herkunftszeichen" genutzt wird. Hier musste jedoch
jedem Nutzer klar sein, dass er unter
www.aquapol-unzufriedene.at gerade
nicht auf Informationen des Markeninhabers selbst würde zugreifen können.
Das
Namensrecht wurde nicht verletzt, weil keine Verwirrung zwischen dem
Namensträger und dem Betreiber der beanstandeten Website hervorgerufen
wurde.
Bleibt zuletzt noch das - ebenfalls nicht verletzte - Persönlichkeitsrecht: "Ist
die Namensnennung nicht gesetzlich verboten und hat der Namensträger
einen sachlichen Anlass zur Nennung seines Namens gegeben, dann wiegt
das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit regelmäßig
schwerer als der Schutz der Privatsphäre", so der OGH. Der
Gerichtshof ist damit bei einer Interessenabwägung, die hier zu
Lasten von Aquapol geht. Die Klägerin habe Anlass für eine
kritische Auseinandersetzung mit ihrem Produkt gegeben, eine Auseinandersetzung,
die ohne Nennung des Namens nicht sinnvoll möglich sei. Weil das
Informationsinteresse höher zu bewerten sei als das Interesse des
Namensträgers, nicht als Gegenstand der Kritik genannt zu werden,
ist dessen Persönlichkeitsrecht nicht verletzt.
Quelle:
Die
Presse