Ein
Stadtratsmitglied war wegen Beleidigung verurteilt worden.
Der Verurteilte ging vergeblich in Revision - nachdem der "ordentliche
Rechtsweg" abgeschlossen war, blieb ihm nur der Gang vor
das Bundesverfassungsgericht.
Das hob die Verurteilung auf.
Und so hatte sich das Ganze abgespielt:
Während einer Rede zur kommunalen Integrationspolitik erwähnte
der Verurteilte, dass er selbst früher in einem bestimmten
Stadtteil das Gymnasium besucht habe. Diese Ausführungen
unterbrach ein anderes Ratsmitglied durch einen Zwischenruf,
der nach der bestrittenen Darstellung des Verurteilten folgenden
Inhalt hatte: "Der war auf einer Schule? - Das kann
ich gar nicht glauben!".
In Erwiderung hierauf bezeichnete der Verurteilte den Zeugen
als "Dummschwätzer".
Das Amtsgericht verurteilte den Stadtrat, (welcher die Formulierung "Dummschwätzer" verwendet
hatte, wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen
zu je 60 €. Die Revision des Beschwerdeführers blieb
erfolglos. Der Verurteilte wandte sich an das Bundesverfassungsgericht.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
hob die Entscheidungen der Gerichte wegen der Verletzung des
Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) auf. Weder der Bedeutungsgehalt
der Äußerung des Beschwerdeführers noch der
vom Amtsgericht festgestellte Kontext tragen die Annahme einer
der Abwägung entzogenen Schmähung des Zeugen.
Der Anlass und Zusammenhang der Äußerung sind
im Urteil nicht berücksichtigt worden,
so dass nicht festgestellt werden kann, ob es
sich bei dem vom Beschwerdeführer verwendeten
Begriff des "Dummschwätzers" um
eine sog. "Schmähkritik" handelt,
bei der die Diffamierung des Zeugen im Vordergrund
stand oder ob die Äußerung
durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens
und des Meinens geprägt war.
Nur
dann, wenn eine solche Äußerung nicht
mehr der Auseinandersetzung in der Sache dient,
hat sie als Schmähung regelmäßig
hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
zurückzustehen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen
folgende Erwägungen zu Grunde:
Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das
Amtsgericht die Bezeichnung des Zeugen als "Dummschwätzer" als
ein ehrverletzendes Werturteil eingeordnet hat.
Zu Unrecht hat
es aber die Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht
des Zeugen und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers nicht
vorgenommen.
Von dieser kann (unabhängig von ihrem konkreten
Zusammenhang) nur bei einer Äußerung abgesehen werden,
wenn diese stets als persönlich diffamierende Schmähung
aufgefasst werden muss. Dies ist möglicherweise
bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter
äkalsprache - der Fall.
Für eine solche Konstellation ergeben sich nach den Feststellungen
des Amtsgerichts jedoch keine Anhaltspunkte.
Es handelt
sich zwar um eine ehrverletzende Äußerung, nicht aber
um eine solche, die ihrem Bedeutungsgehalt nach unabhängig
vom Verwendungskontext die bezeichnete Person stets als ganze
herabsetzt, ihr also ihren personalen Wert insgesamt abspricht
und sie so vom Prozess der freien Kommunikation ausschließt.
Vielmehr
knüpft der Begriff seiner Bedeutung nach an ein Verhalten
des Betroffenen an, nämlich dessen verbale Äußerungen.
Dies schließt es zwar nicht von vornherein aus, in der
Beschimpfung eines anderen als "Dummschwätzer" im
Einzelfall gleichwohl eine Schmähkritik zu sehen, etwa wenn
ohne sachlichen Anlass ausgedrückt werden soll, dass es
sich bei dem Betroffenen um einen Menschen handele, der ausschließlich
Dummheiten zu äußern in der Lage sei und daher als
Teilnehmer an einer sachlichen verbalen Auseinandersetzung von
vornherein ausscheide.
Anders liegt der Fall aber, wenn
sich das Schimpfwort nur als die sprachlich pointierte Bewertung
im Kontext einer bestimmten Aussage des Betroffenen darstellt,
wenn also der Gemeinte als "Dummschwätzer" tituliert
wird, weil er nach Auffassung des Äußernden (im
Rahmen einer Sachauseinandersetzung) dumme Aussagen getroffen
hat.
Welche
der beiden Verwendungsweisen vorliegt, hängt aber gerade
von den Umständen des Einzelfalles ab. Dazu hat das Amtsgericht
hier keine Feststellungen in ausreichendem Umfang getroffen.
Der Verwerfungsbeschluss des Oberlandesgerichts teilt diese
Fehlerhaftigkeit des amtsgerichtlichen Urteils, weil er keine
eigenständige
Begründung enthält.
Pressemeldung
des Bundesverfassungsgerichts
Urteil
des Bundesverfassungsgerichts |