Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
verkündet am: 16.11. 2005 - Geschäftsnummer:
28 o 443/05 - In dem Rechtsstreit der
UPA Verlags GmbH,. vertreten d.d. Geschäftsführer Rinze
Arle Leijen, - Hammschlerweg 67, 47533 Kleve, Antragstellerin,
- - Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte....
gegen
den Herrn M_P, ... Antragsgegner,- Verfahrensbevollmächtigter:
- Rechtsanwalt Alexander Thamm, - Atzelbuckelstrasse 26, 68259
Mannheim
hat die Zivilkammer 28 des Landgerichts Berlin in Berlin-Charlottanburg,
Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung
vom 09.11,2005 durch den Richter am Landgericht Franz als Einzelrichter
für R echt erkannt:
1. Dem Verfügungsbeklagten wind es bei Meidung eines für
jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00
Euro, - ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Widerholungsfall
Ordnungshaft his zu 2 Jahren verboten, mündlich oder
schriftlich, insbesondere in E-mails wörtlich oder sinngemäss
zu behaupten, die UPA Verlags GmbH stelle wucherische Rechnungen
aus. Im Ubrigen wird der Antrag der Verfügungsklägerin
vom 28. Oktober 2005 abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Verfügungsklägerin
zu 4/5 and der Verfügungsbeklagte zu 1/5 zu tragen.
3. Das Urtell ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
1,1-fachen des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe des 1,1- fachen des aus dem Urteil jeweils
zu volIstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen
Verfügung auf Unterlassung von Tatsachenbehauptungen gegen den
Verfügungsbeklagten.
Auf den Verfügungsbeklagten war bis August 2005 die Internetseite „www.ergo-film,de" registriert,
die unter anderem ein Namensverzeichnis von Adressbuchverlagen enthielt.
Wegen der Einzelheiten dieser Liste wird Bezug genommen auf
Anlage K 4 der Akte. Diese Liste wird seitdem unter der Internetseite
www.Beschwerdezentrum.org/Trickbetrug" fortgeführt, f0r
die der Domaininhaber Dr. Peter Niehenke verantwortlich ist. Der
Verfügungsbeklagte leistet Herrn Dr, Niehenke zur Aktualisierung
dleser Internetseite journalistische Zuarbelt. Der Prozessbevollmächtigte
des Verfügungsbeklagten vertritt einen Mandanten Herrn Ilg,
Inhaber eines Unternehmens für Damenkonfektion, - gegen eine
Inanspruchnahme durch die Verfügungsklägerin wegen Vergütung
der Platzierung in dem Adressverzeichnis. Herr Ilg hatte den Prozessbevollmächtigten
aufgesucht und mitgeteilt, er sei im Oktober 2005 von einem Mitarbeiter
Schadwell der Verfügungsklägerin unaufgefordert telefonisch
angerufen worden. Herr Schadwell habe ihn gefragt, ob seine Anschrift
und Faxnummer, die sich im Internetregister der Verfiligungsklägerin
befänden, noch stimmen würden. Nachdem er das bejaht babe,
habe Schadwell mltgeteilt, dass ein Kollege aus der Computerabteilung
sogleich noch einmal anrufen warden und die Abfrage der Daten.wiederholen
und auf Band aufzeichnen werde. Der Kollege habe sich sodann mit
den Worten gemeldet, er werde sich wegen des telefonischen Anrufnachweises
melden und er, Her Ilg, habe bereits mit Herrn Schadwell gesprochen
und ihm den Auftrag für die Fortdauer der Eintragung in das
Adressenverzeichnis für die nächsten 12 Monate erteilt.
Auf nochmaligen Hinweis, dass das Gespräch aufgezeichnet werde,
habe er, Herr Ilg sich mit diesem Vorgehen einverstanden erklärt
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Seite 2 des Schriftsatzes
vom 8. November 2005 Bezug genommen.
Der Verfügungsbeklagte übersandte seinem Prozessbevollmächtigten
auf dessen Bitten die ihm vorliegenden E-mails von Betroffenen der
Kundenwerbung durch die Verfügungsklägerin. Wegen der Einzelheiten
der E-mails wlrd auf die Anlage AG 1-6 verwiesen.
Ferner kündigte der Verfügungsbeklagte gegenüber seinem
Prozessbevollmächtigten an, sich an weitere Unternehmen, die
in dem Internetadressverzeichnis der Verfügungsklägerin
aufgelistet seien, zu wenden.
Mit E-mail vom 22. Oktober 2005 wandte sich der Verfügungsbeklagte
an die TRIXX Studios. Klaus Knapp. Unter anderem lautete es in dem
E-mail:
„... Der Verlag dieses Adressengrabes holt die Aufträge
für Veröffentlichungen mit betrügerischen Mitteln
ein. Die wucherischen Rechnungen wurden dann mit juristisch garnierten
Drohungen eingetrieben. -
Per Telefon wird so getan, als ob bereits ein Auftrag
existiert, der nur bestätigt zu werden braucht.... Sie sollten
nicht zahlen und sich gegen diese Abzocker wehren. Wir berichten über
derartige Trickbetrüger und ihre Methoden - und wie man sich dagegen
wehren kann...."Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen
auf Anlage A 6 der Akte.
Die Verfügungsklägerin behauptet: In ihre Verzeichnisse sei
kein Unternehmen aufgenommen worden, mit dem nicht zuvor ein Vertrag
abgeschlossen warden sei. Altkunden seien angerufen und gefragt worden,
ob sie das Vertragsverhältnis verlängern wollten. Neukunden
seien aufgrund von Anschriften akquiriert worden, die sie von einem
Adressverlag Schöberverlag gekauft habe. Sobald sich der Kunde
für die Leistung entschieden habe, sei das Vertragsgespräch
auf Tonband aufgezeichnet worden.
Die Verfügungsklagerin beantragt,
Dem Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden
Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis 250.000,00
E, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Widerholungsfall Ordnungshaft
bis zu 2 Jahren verboten, mündlich oder schriftlich, insbesondere
in E-mails wörtlich oder sinngernäss zu behaupten
a) bei dem Internetbranchendienst der UPA Verlags
GmbH, das unter der Adresse www.web2day.de erreichbar ist,
handele as sich urn ein Adressengrab.
b) die UPA Verlags GmbH hole die Aufträge für Veröffentlichen
mit betrügerischen Mitteln ein
c) die UPA Verlags GmbH stelle wucherische Rechnungen aus;
d) die UPA Verlags GmbH würde per Telefon so tun, als ob bereits
ein Auftrag existiert, der nur bestätigt zu werden brauche
- dann würde per Fax die angeblichen Bestätigung eingeholt
- aber es handele sich in Wirklichkeit urn einen Neuauftrag, der
so wertlos wie teuer sei;
e) die UPA Verlags GmbH sei eine Trickbetrügerin
Die VerfügungsbekIagte beantragt,
den Antrag auf Erlass abzuweisen
Die von dem Verfügungsbeklagten eingereichte CD-Rom mit einer
Tonbandaufnahme des Telefonats zwischen einem Mitarbeiter der Verfügungsklägerin
and dem Herrn Ilg hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung
abgespielt.
Entsprechend der Ankündigung in der mündlichen Verhandlung
haben beide Parteien CD-Roms mit den jeweiligen Versionen des Telefonats
mit dem Betroffenen llg zur Akte gereicht. Mit Schriftsatz vom
11. November 2005 hat die Verfügungsklägerin weiter vorgetragen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
- Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig,
insbesondere ist das Landgericht Berlin sachlich zuständig,
nachdem bereits der Wert des Verfahrensgegenstandes für des
Verfügungsverfahren im Einverständnis mit den Parteien
auf 10.000.- zu beziffem war.
- Die einstweilige Verfügung war zum Teil antragsgemäss
zu erlassen. Denn es war zu besorgen, dass durch die Veränderung
des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Verfügungsklägerin
vereitelt oder wesentlich erschwert wird, § 935 ZPO.
1. Der Verfügungsklägerin steht ein Verfügungsanspruch
auf Unterlassung aus § 823 Abs. 2 BOB in Verbindung mit § 186
StGB zu. Er setzt voraus, dass der Tatbestand der Norm verletzt
wurde und eine abermalige Verletzung droht. Die Erstbegehung indiziert
dabei die Gefahr weiterer Verletzungen
a) Die Verletzung des Schutzgesetzes ist unstreitig. § 186
StGB ist Schutzgesetz im Sinne von § 823 BGB (BGHZ 95, 212;
Palandt-Putzo, 64. Aufl. 2005, § 823 BGB, Rn. 69). Dann müsste
der Verfügungsbeklagte in Bezug auf einen anderen Tatsachen
behauptet haben, welche geeignet sind, denselben verächtlich
zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen,
ohne dass diese Tatsache erweislich wahr sind. § 186 BGB schützt
auch juristische Personen.
Dieser Tatbestand ist vorliegend durch die Passage " Die
wucherischen Rechnungen werden dann mit juristisch garnierten
Rechnungen eingetrieben" in dem E-mail-Schreiben des Vefügungsbeklagten
vom 22. Oktober 2005 an die TRIXX Studios erfüllt. Dass die
Verbreitung der Tatsache, ein gewerblich tätiges Unternehmen
stelle wucherischen Forderungen in Rechnung, geeignet ist, die Verfügungsklägerin
in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, bedarf keiner
näheren Erläuterung. Denn eine solche Äusserung kann
sowohl die künftige Akquise von Kunden beeinträchtigen
als auch den bestehenden Kundenstamm,
Der Verfügungsbeklagte hat die Wahrheit dieser Behauptung nicht
glaubhaft zu machen vermocht. Die Darlegungslast für die
Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung, die geeignet ist, jemanden
in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, hat grundsätzlich
derjenige zu tragen, der diese Behauptung in die Welt" gesetzt
oder verbreitet hat. Etwas andere gilt nur dann, wenn die inkriminierte
Tatsachenbehauptung dutch ein berechtigten Interesse im Sinne von § 194
StGB gerechtfertigt ist (vgl. zum Ganzen OLGR Celle 2002, 211 ff.),
Das ist hier jedoch nicht der Fall, well § 194 StGB über
das Vorliegen des berechtigten Interesses hinaus voraussetzt, class
das mildeste Mittel zur Durchsetzung des berechtigten Interesse gewählt
wurde. Das ist hier nicht der Fall. Der Verfügungsbeklagte hat
das E-mail-Schreiben gleichsam als „Anwalt" in fremder
Sache, nämlich zur Unterstützung seines Prozessbevollmächtigten
im Prozess gegen dessen Mandanten lig formuliert. Es diente dem Zweck,
Zeugen für das Vorgehen der Verfügungsklagerin bei der
Kundenakquise zu gewinnen. Zu diesem Zweck war es nicht notwendig,
das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für den Eintragung
und die Führung der Adressen in derInternetadressliste als „wucherisch„ zu
bezeichnen. Donn dem Adressaten des Schreibens musste zur Zweckverfolgung
nur deutlich gemacht warden, dass Leistung und Gegenleistung nicht
in angemessenem Verhältnis stünden, während mit dem
Begriff „Wucher" nicht nur ein besonders krasses Missverhältnis
zum Ausdruck gebracht wird, sondern auch ein Unwerturteil in subjektiver
Hinsicht verbunden ist, das kaum geeignet ist, die Bereitschaft der
E-mail-Empfänger zur Unterstützung im Vorgehen gegen die
Praktiken der Verfügungsklägerin zu erhöhen. Ferner
betonte der Verfügungsbeklagte wiederholt, dass es ihm um die
Art and Weise der Kundengewinnung gehe, bei der der Geworbene infolge
der Übertölpelung nicht die Möglichkeit habe, frei
zu entscheiden, so dass die Angemessenheit von Leistungen und Gegenleistung
erst in zweiter Hinsicht von Bedeutung ist. Mithin verbleibt as dabei,
dass dem Verfügungsbeklagten die Glaubhaftmachungslast obliegt.
Die Verfügungsbeklagte hat zu dem Verhältnis von Leistung
und Gegenleistung nicht vorgetragen. Soweit gegenüber dem Herrn
llg eine Vergütung von 258,- € zuzüglich Umsatzsteuer
für das Jahr geltend gemacht worden sein soll, kann das Gericht
nicht beurteilen, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen
Leistung und Gegenleistung vorliegt. Vergleichbare FäIle hatte
es zuvor nicht zu entscheiden. Insoweit wäre für das Gericht
die Kenntnis erforderlich gewesen, welche Vergütung üblicherweise
bei vergleichbaren Verhältnissen, also bei der Eintragung von
gewerblichen Unternehmen in Adressenlisten, veranschlagt wird.
b) Die Wiederholungsgefahr ist durch die erstmalige Begehung widerleglich
indiziert (BGH WM 1994, 641; Palandt-Sprau, 64. Aufl, 2005, vor § 823
BGB, Rn. 20). Der Verfügungsbeklagte hat darüber hinaus
in der mündlichen Verhandlung erklärt, weiter auf der Suche
nach Zeugen zu sein und sich zudem nicht das vor anderen Gerichten
erstrittene Recht nehmen lessen zu wollen, die Verfügungsklägerin
eine Betrügerin zu nennen. Vor diesem Hintergrund waren auch
keine Umstände ersichtlich, die das Indiz für eine wiederholte
Begehung entkräftet hätten
- Die Verfügungsgrund ist ebenfalls gegeben. Wie der Prozessbevollmächtigte
des Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt
hat, hat die Kammer für Handelssachen den Prozess in der Hauptsache
mit Beschluss vom 26. Oktober 2005 an die zuständige Ziviikammer
- das ist ebenfalls die Zivilkammer 28, wie sich nach der mündlichen
Verhandlung herausgestellt hat - verwiesen, von der das Geschäftszeichen
noch nicht bekannt sei. Aus diesem Grunde 1st der Erlass eine vollstreckbaren
Urteils in der Hauptsache bislang zeitlich nicht absehbar. Gleichwohl
hat der Verfügungsbeklagte, worauf die Verfügungsklagerin" zu
Recht hingewiesen hat, mit dem unmittelbaren Anschreiben von Betroffenen
neben den Äusserungen auf den Internetseiten eine neue Qualität
von Eingriffen in ihre Rechte begründet. Aus diesem Grunde kann
es nach Auffassung des Gerichts dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin
bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis davon hatte, dass
der Verfügungsbeklagte Ausserungen mit vergleichbarem Inhalt über
die Internetseiten „www.ergofilm.de" und „www.beschwerdezentrum.org" verbreitet.
Denn dadurch war zunächst nur eine abstrakte Gefahr für
den Kundenstamm der Verfügungsklägerin begründet worden,
weil die Äusserungen nur diejenigen erreichen konnten, die die
genannten Internetseiten besuchen würden. Die unmittelbare Ansprache
der Kunden zieht indessen eine konkrete Gefahr für den Kundenstamm
und die Geschäftsbeziehungen der Verfügungsklägerin
nach sich.
- Der Inhalt der einstweiligen Verfügung richtet sich nach § 938
ZPO und unterliegt freiem Ermessen. Massgeblicher Gesichtspunkt ist
das Schutzbedürfnis der Verfügungsklägerin, welches
durch das Recht des Verfügungsklägers auf freie Tatsachen-
und Meinungsäusserung begrenzt wird. Vor diesem Hintergrund
ist die umfassende Untersagung der Behauptung, die Rechnungen seien „wucherisch",
bis .zu einer Entscheidung in der Hauptsache gerechtfertigt. Denn
dem Verfügungsbeklagten stehen zur Durchsetzung seiner Ziele
in grossem Umfang andere Formulierungsmöglichkeiten zur Verfügung,
die dieselbe Wirkung nach sich ziehen und die Rechte der Verfügungsklägerin
weit weniger beeintrachtigen
2. Die übrigen Äusserungen rechtfertigen den
Erlass der einstweiligen Verfügung indessen nicht.
„Adressengrab"
Die Bezeichnung des Adressenverzeichnisses der Verfügungsklägerin
unter der lnternetanschrift www.web2day.de als „Adressengrab" ist
nicht geeignet, die Verfügungsklagerin in der öffentlichen
Meinung herabzuwürdigen. Das ergibt sich bereits aus dem eigenen
Vorbringen der Verfügungsklägerin.
Auf den im Rahmen der Terminsanberaumung erteilten Hinweis des
Gerichts, es würde die Bedeutung des Begriffs „Adressengrabs" nicht
kennen und könne ihn aus diesem Grund auch nicht beurteilen,
hat die Verfügungsklagerin vorgetragen:
„Dieser Begriff besteht aus den Teilwörtern "Adressen" and "Grab".
Der Duden erklärt die einzelnen Begriffe wie folgt:
Adresse, die; -n [frz. adresse, eigtl. = Richtung, zu: adresser,
adressieren; 2: engl. address, zu frz. adresser, adressieren]:
I. a) Angabe von jmds. Namen u. Wohnung, Anschrift; b) kurz für
Internetadresse, c) kurz für E-Mail-Adresse. 2. (bildungsspr.)
a) schriftlich formulierte [politische] Meinungsäusserung,
Willenskundgebung, die von einzelnen Personen od. Gruppen an das
Staatsoberhaupt od. die Regierung gerichtet wird; b) offizielles
Gruss-, Dank- od. Huldigungsschreiben [an eine höhere SteIle]:
eine A. an den Parteitag richten, 3. (EDV) Nummer einer bestimmten
Speicherzelle im Speicher einer Rechenanlage. Vgl. Duden - Deutsches
Universalwörterbuch. 4. Aufl. Mannheim 2001. [CD-ROM].
Kurz gesagt handelt es sich in dem hier verwendeten Zusammenhang
bei einer Adresse um die Angabe von jemandes Namen und Wohnung.
Grab, das; -[e]s, .Gräber [mhd. grap, and. grab, urspr. in
die Erde gegrabene Vertiefung, zu
graben]: a) für die Beerdigung eines Toten ausgehobene Grube:
ein offenes, leeres G.; ein G. ausschachten, zuschaufeln; jmdn.
ins G. leggin (geh.; beerdigen); verschwiegen wie ein/das G. sein
(ugs.; sehr verschwiegen, diskret sein); ein feuchtes/nasses G.
finden, sein G. ln den Wellen finden (geh.; ertrinken); ein frühes
G. finden (geh.; früh sterben); rich <Dativ> selbst
sein G. schaufeln/graben (selbst seinen Untergang herbeiführen);
mit einem Fuss/Bein im (geh.:) am Rande des -es [stehen] (dem Tod
sehr nahe (sein]); jmdn. an den
Rand des -es bringen (geh.; beinahe jmds. Tod verursachen); jmdn.
ins G. bringen (1. an jmds. Tod schuld sein. 2. jmdn. zur Verzweiflung
bringen, völlig entnerven); lns G. sinkers (geh.; sterben),
jmdm. ins G. folgen (geh.; [kurz] each jmdm. sterben); etw. mit
ins G. nehmen (geh.; ein Geheimnis niemals preisgeb'en),jmdn. zu
-e tragen (geh.; jmdn. beerdigen); etw. zu -e tragen (geh.; etw.
endgültig aufgeben): seine Wünsche, Hoffnungen zu -c
tragen; b) oft durch einen kleinen (geschmückten] Erdhügel
[mit einem Kreuz, mit Grabstein od. -platte] kenntlich gemachte
Stelle, wo ein Toter beerdigt ist: ein eingefallenes, frisches
G,; ein G. bepflanzen, pflegen, einebnen; man hat sein Grab geschändet;
ein G. öffnen; im G. liegen (farm; gestorben sein); *das Heilige
G. (des Grab Jesu Christi (oft als plastische Darstellung im Kircheninnern];
des G. des Unbekannten Soldaten (Name von Gedenkstätten für
gefallene Soldaten): bis ins/ans 'G.; bis ober das G. hinaus (geh;
bis in den Tod; über den Tod hinaus; für immer; für
alle Zeit). VgI. Duden - Deutsches Universalwörterbuch. 4. Aufl.
Mannheim 2001. [CD-ROM].
Der Begriff "Adressengrab" wird offensichtlich gemeinhin,
wie eine Internetrecherche mit der Internetsuchmaschine Google
ergibt, herabsetzend fir Adressenverzeichnisse verwandt, die der
Allgemeinheit nicht bzw. sehr schwer zugänglich sind und daher
ein Eintrag für den Abonnenten wertlos.
Dass jeder Bestandteil des Begriffs „Adressen-Grab" eine
Ehrschmälerung der Verfügungsklägerin nicht bewirken
kann, folgt aus den vorstehenden Begriffserläuterungen und
bedarf daher keiner weiteren Erläuterung. Gleiches gilt für
das zusammengesetzte Wort. Danach soll der Begriff fur ein erschwertes
Zugänglichmachen der Anschriften stehen. Den Vorwurf, die
Verfügungsklägerin würde den Zugriff zu den verwalteten
Adressdaten erschweren, hat der Verfügungsbeklagte soweit
ersichtlich - weder behauptet noch hat er nach der Überzeugung
des Gerichts den Begriff in diesem Sinne verwendet. Zur Erreichbarkeit
der Anschriften für Dritte hat sich der Verfügungsbeklagte
- soweit nach den Ausdrucken der lnternetseiten oder der Schreiben
ersichtlich - überhaupt zu keinem Zeitpunkt verhalten. Auch
nach dem Verständnishorizont eines objektiven Empfängers
ergibt sich nicht eine herabsetzende Bedeutung, wie die Verfügungsklägerin
meint. Die Anschriften an die Kunden der Verfügungsbeklagten
zeigen vielmehr, dass die Anschriften zumindest für den Verfügungsbeklagten
unschwer zu erlangen waren. Der Verfügungsbeklagte schien
den Begriff eher in dem Zusammenhang verwendet zu haben, dass die
Anschriften auf der Internetseite der Verfügungsklägerin
generell selten abgefragt würden, etwa well die Verfügungsklägerin
zu unbekannt sei, so dass das Preis-/Leistungsverhältnis der
Eintragung fraglich sei. Diese Behauptung zieht jedoch keine Herabwürdigung
der Verfügungsklagerin nach sich, sondem ist Folge der Begebenheiten
des Marktes, auf dem die Verfügungsklägerin unternehmerisch
tätig ist.
"Die Verfügungsbeklagte hole die Aufträge
für Veröffentlichungen mit betrügerischen Mitteln
ein"
"wir berichten über derartige Trickbetrüger"
Der Verfügungsbeklagte hat gegen die Äusserungen des
Prokuristen der Verfügungsklagerin glaubhaft gemacht, dass
diese Behauptungen wahr sind. So schilderten insbesondere die Betroffenen
Tobias Krenz von der Thaddäus Rohrer Unternehmensberatung
(mit E-mail vom 17. Juni 2005) sowie Frau Martina Kühn (mit
E-mail vorn 25.10.2005) auf vorangegangene Anschreiben des Verfügungsbeklagten,
bei dem Ersttelefonat sei ihnen mitgeteilt worden, dass sie bereits
Kunden seien und dass es urn die Verlängerung des Vertrages
ginge. Beide Betroffenen stellten im Nachhinein fest, dass eine
Eintragung in das Verzeichnis zuvor nicht veranlasst warden war.
Die in der Verhandlung abgespielte Tonbandaufnahme, die der Verfügungsbeklagte
zur Glaubhaftmachung vorgelegt hat - und die von beiden Parteien
in offensichtlich übereinstimmenden Versionen und in verbesserter
Qualität nachträglich zu den Akten gereicht wurden -
, lässt in Ansätzen die vom dem Mitarbeiter der Verfügungsklägerin
verursachte gehetzte Gesamtsituation und die Verunsicherung des
Herrn Ilg über das Vorgehen erkennen. Dle Gesprächsführung
von Seiten der Verfügungsklägerin ist auch nach dem Eindruck
des Gerichts darauf bedacht, dem Gesprachspartner nicht die Zeit
zu lassen, seine Entscheidungen zu überdenken oder auch nur
zu Wort zu kommen und Nachfragen zu stellen. Die Aufnahme stützt
damit in gewissem Umfang das Vorbringen des Verfügungsbeklagten.
Dies gilt urn so mehr, wenn zutreffen sollte, dass bei dem Ersttelefonat
von einem Vertragsschluss noch nicht die Reds war. Dieses der Verfügungsklägerin
zuzurechnende Verhalten ihrer Mitarbeiter stellt die Verwendung
von betrügerischen Mitteln oder jedenfahls die Billigung ihres
Einsatzes dar. Die insoweit einschlägige Vorschrift des § 26
StGB setzt neben der Bereicherungsabsicht eine vorsätzliche
Täuschungshandlung in dem Sinne voraus, dass der Täter
vorsátzlich durch Vorspiegelung fahscher oder durch Entstellen
oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum auslöst,
der den Irrenden zu einer Vermögensverfügung veranlasst.
Das muss hier angenommen werden, wobei dahinstehen kann, dass die
(kostenlose) Ersteintragung in das Anschriftenverzeichnis als solche
möglicherweise der Wahrheit entsprach. Nach den glaubhaften Äusserungen
der Betroffenen wurde Ihnen jedoch suggeriert, es bestehe bereits
ein Vertragsverhältnis, welches jetzt auslaufe und verlängert
werden könne. Beide Betroffenen hatten, da sie zum Zeitpunkt
des aufgezeichneten Telefonats nicht überprüfen konnten,
welcher Mitarbeiter ihrer Firma die Eintragung veranlasst hat,
zunächst die Verlängerung im vermeintlichen Interesses
für ihre Firma bestätigt, Mithin hat die Verfügungsklägerin
jedenfalls in den genannten Fällen die wahren Tatsachen verzerrt
dargestellt und dadurch einen Irrtum erregt. Dass dies auch vorsátzlich
und ln Bereicherungsabsicht geschah, zeigt der Umstand, dass die
Verfügungsklägerin Rechnungen an die Betroffenen versandte
und ihnen - nach Anfechtung oder Stornierung des Auftrags - Stornokosten
in Höche von bis zu 75 % der Vergütung in Rechnung stellte.
Aus diesem Grunde ist glaubhaft, dass die Behauptung zutreffend
ist, die Verfügungsklägerin bediene sich betrügerischer
Mittel.
Aus den vorgenannten Gründen ist es auch nicht unzutreffend,
wenn der Verfügungsbeklagte die Verfügungsklagerin mit
der Formulierung „wir berichten über derartige Trickbetrüger
..." indirekt der Trickbetrügerei bezichtigt. Denn dass
die Taten vollendet sind, ist nach Auffassung des Gerichts nicht
erforderlich, um die beanstandete Behauptung zu rechtfertigen.
Das Stadium des Betrugsversuchs hat der Verfügungsbeklagte
- wie soeben ausgeführt - glaubhaft gemacht.
Ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung folgt auch nicht aus § 823
Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb oder unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeitsrechtsverletzung
gemäss Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit §§ 12,
862, 1004 BGB.
Denn die zweifellos anzunehmenden Eingriffe in den jeweiligen Schutzbereich
sind gerechtfertigt durch die in Art. 5 GG verbürgte Äusserungs-
und Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten. Die Rechtswidrigkeit
eines Eingriffs in dle Schutzbereich der genannten Vorschriften
ist nicht indiziert, sondem muss besonders festgestellt werden.
Dies geschieht durch die Abwägung der Interessen der Verfügungsklägerin
an dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und ihrem
Persönlichkeitsrecht auf der einen Seite und dem Recht auf
Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten auf der anderen Seite.
Im Bereich der beruflichen Sphäre in der Öffentlichkeit
muss der Gewerbetreibende wahre Tatsachen- and Meinungsàusserungen
bis zur Grenze der Schmähkritik hinnehmen. Ein Schmähkritik
ist dann anzunehmen, wenn die Äusserung den Boden sachlicher
Kritik vollkommen verlässt und nur darauf zielt, den Betroffenen
verächtlich zu machen und in der Offentlichkeit herabzuwürdigen
(Palandt-Sprau, aaO., § 823 BGB, Rn. 129). Das ist bei den
genannten Äusserungen nicht der Fall. Der Verfügungsbeklagte
befindet sich, wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt
hat, seit Jahren in einem Kampf gegen Adressverlage mit dem Ziel,
unseriöse Geschäftspraktiken zu unterbinden. Die VerfügungskIägerin
nimmt den Verfügungsbeklagten in der Hauptsache zum Geschäftszeichen
96 0 199/05 auf Unterlassung in Anspruch. Aus diesem Grunde hat
der Verfügungsbeklagte ein nachhaltiges Interesse daran, Zeugen
für die Wahrheit der von ihm verbreiteten Tatsachen zu gewinnen.
Insoweit muss es ihm unbenommen bleiben, die Kunden der Verfügungsklägerin
direkt anzuschreiben. Eine Schmähkritik ist dem e-mail-Schreiben
nicht zu entnehmen, denn es lässt das Anliegen des Verfügungsklägers,
den Empfänger des Schreibens zur Mitwirkung zu gewinnen and
damit den sachlichen Kern seines Inhalts noch hinreichend deutlich
erkennen, ohne die Verfügungsklägerin über Gebühr
verächtlich zu machen.
"per Telefon würde so getan, als ob der Auftrag
existiere"
Zunächst hat der Verfügungsbeklagte auch hinsichtlich
dieser Äusserung glaubhaft gemacht, dass die Behauptung im
Tatsachenkern zutreffend ist. Zwar ist die Verfügungsklägerin
nach dem Inhalt der eingereichten Betroffenenschilderungen nicht
genau auf die vom Verfügungsbeklagten geschilderte Weise vorgegangen.
Denn tatsächlich suggerierte die Verfügungsklägerin
in den sog. „Altkundenfallen", in denen
die Angesprochenen schon auf der Adressseite geführt wurden,
dass ein Vertrag bereits bestehe, der im nachfolgenden (aufgezeichneten)
Telefonat verlängert werden könne. Der Unterschied im Wahrheitsgehalt
ist jedoch nicht geeignet, die Verfügungsklagerin ungerechtfertigt
in der öffentlichon Meinung herabzuwürdigen. Der Verfügungsbeklagte
beruft sich hinsichtlich dieser Äusserung zu Recht aber auch
auf die .Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne von § 193
StGB. Denn die Mitteilung der bereits ermittelten Tatsache im Sinne
eines Vorgehensschemas der Verfügungsbeklagten gegenüber
den Empfängern der E-mail-Schreiben client dazu, diejenigen
Betroffenen aus dem Kundenkreis der Verfügungsbeklagten herauszufiltem,
die von demselben oder ähnlichen Vorgehensschema betroffen sind
2. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92
Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO,
Franz
Richter am Landgericht |