Oberlandesgericht München - 21.
Zivilsenat - Aktenzeichen:
21 U
:3622/02 - 9 O
22611/01 LG München I
Verkündet am 15.
November
2002
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
Online Verlag GmbH, gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer
Wolfgang Lohmüller, Kaiserswerther Strasse 115, 40882 Ratingen
- Klägerin und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigte: ....
gegen
M_P, ...
Beklagter und Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Klaka, Delpstrasse 4, 81879
Munchen
wegen Forderung
erlässt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
Prof Dr. Seitz und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Klemm
und Schmidt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2002
folgendes
ENDURTEIL:
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts
München
I, 9. Zivilkammer, vom 10.04. 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin
trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe
von 7 500,00 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor
Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
Begründung:
Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem
angefochtenen
Urteil wird Bezug genommen (§ 540 As 1 Nr. 1 ZPO).
Die zuletzt gestellten Anträge - ergänzt durch den zu Protokoll gegebenen
Antrag auf Aufhebung des Ersturteils - lauten wie folgt
I.
Dem Beklagten und Berufungsbeklagten wird - bei Meidung eines Ordnungsgeldes
bis zu 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden
kann, von Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - für jeden Fall
der Zuwiderhandlung verboten,
1.
privat
oder im geschäftlichen Verkehr wahrheitswidrig, direkt oder,
indirekt zu behaupten,
a)
dass man gegen den Online Verlag GmbH (Klägerin) als Geschäftemacher
hereinfällt
b) dass es in Bezug auf den Online Verlag GmbH Nachweise
für Betrug, arglistige Täuschung und Wucher gäbe,
c)
dass
dem Online Veriag GmbH das Handwerk gelegt werden müsse,
d)
dass
es für alle Firmen sehr wichtig sei, den Online-Eintrag
beim Online Verlag GmbH vorsorglich zu kündigen
e) dass es wohl keine Kunden des Online Verlag GmbH gabe, die
- als
sie diesen Eintragungsvertrag unterzeichneten - davon ausgingen;
dass sie für den Grundeintrag zahlen müssten
2. privat oder irn geschäftlichen Verkehr wahrheitswidrig im Zusammenhang
mit der Online Verlag GmbH (Klägerin)
a) von Trickdieben zu sprechen
b) von einem Gerichtsverfahren zu sprechen, das nicht mit dem Online
Verlag GmbH zu tun hat, insbesondere den Verfahren vor dem Amtsgericht
Charlottenburg mit dem Az. 204 C 119/01 sowie dem Verfahren
vor dem Amtsgericht Miesbach, Az. 2 C 836/00,
c) ein Urteil des BGH wegen eines Offertenschwindels
(Az 4 STR 439/00) zu erwähnen, auf dieses zu verweisen
oder dieses der Öffentlichkeit zugänglich zu
machen
d) von noch einer betrogenen Person, wie hier geschehen
unter der Uberschrift „Noch ein betrogener Rechtsanwalt zieht
in den Krieg'' zu, sprechen
e) geschäftsschädigende Äusserungen von dritten Personen
auf der Website www.ergo-Film.de/6-Online/online.html oder
auf Unterseiten dieser Website oder auf anderen vom Beklagten
eingerichteten oder noch einzurichtenden Medien, die für
die Öffentlichkeit zugänglich sind, zu veröffentlichen
und zu verbreiten, wie dies unter der Website www.ergo-film.de/6-Online/6f-
news / Rechtsanwalt-laupe-a1.html erfolgte mit dem Inhalt:
„Rechtsanwalt Laupe-Assmann zieht in den Krieg
lch, der Kanzleiinhaber war leider
selber so blöd,
in der Hektik des Tagesgeschäftes auf die
Online-Fachverlag Betrüger hereinzufallen and
habe den 8etrug erst bemerkt, als zwei andere Mandanten
mich um Hilfe baten
... Eine weitere am Sitz des Betrügerverlages... lch
will und werde den Betrügern, die dann auch
noch frech versuchen, die
Opfer zu verhöhnen (.....) das Handwerk legen...."
3. das Adress- sowie das E-Mai!-Verzeichnis der in den Firrnenverzeichnis der
Online.-Verlag GmbH (Klägerin) unter www.firmenanzeiger
de geführten Kundendaten zu nutzen oder
Dritte zur Nutzung aufzurufen, urn die in vorstehenden Ziffern
1. 1. sowie 1 2. beanstandeten Behauptungen und Aussagen zu verbreiten,
insbesondere wie in dem e-Maii-Schreiben vom 26.07.2001, 12.05
Uhr erfolgt.
II:
Weiter
wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen,
an welche anderen Personen oder Firmen die e-MailNachricht
vorn 26.07.2001; 12,05 Uhr gesandt wurde, als die dort in CC und
im Adressfeld ausgewiesenen Firmen. Weiter wird der Bekagte verurteilt
der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, an welche
anderen Adressaten Schreiben, Faxschreiben und/oder eMai!-Schreiben
versandt wurden, in denen diesen Adressaten die in vorstehender
Ziffer1, 1, und 2. genannten Inhalte direkt oder indirekt durch Verweis
auf die 'Website des Beklagten in www ergo-fillm.de oder
auf Unterseiten deser Website mitgeteilt wurden.
III
Der Beklagte wird verurteilt, der Kägerin
den aus in Ziffer 1 untersagten Äusserungen
und Mitteilungen entstandenen Schaden dem Grunde nach auszugleichen.
IV
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
V.
Das Urteil ist ggf.
gegen Sicherheitsleistung; die auch durch unbedingte,
unwiderrufliche
und selbstschuldnerische Prozessbürgschaft einer
deutschen Grossbank oder öffentlich-rechtlicher
Kreditanstalt erbracht werden kann vollstreckbar.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
2.
Der
Senat hält die Auffassung des Landgerichts für
zutreffend und nimmt auf das angefochtene Urleil Bezug..
In der für
ein Berufungsurteil gesetzlich vorgeschriebenen (§ 540
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch zulässigen (BVerfG
NJW 1996, 2785; 1999, 1387/1388) Kürze - die
sich auch daraus erklärt, dass die Sache in der mündlichen
Verhandiung vor dem Senat umfassend diskutiert wurde (vgl. ThornasiPutzo,
ZPO 24, Aufl., § 313
Rn 27) - ist folgendes ergänzend auszufüihren:
a)
Die Äusserungen; die mit den Anträgen. I 1 a),
b). e) und I 2 a) bekämpft
werden, sind aIs Meinungsäusserungen einzustufen.
Hier liegt der Schwerpunkt in der subjektiven Einstellung
des Beklagten zu dem
den Nutzern bekannten objektiven Geschehen. Die subjektive
Prägung
ist deutllich. Der Nutzer erkennt diese subjektive Prägung
er sieht sie als Wertung der Vorgänge
auf der Basis der Verwendung des Formu!arvertrags auch
der Klägerin. Dieser Vertrag ist jedenfalls den meisten, eher aber wohl
allen Nutzern der Seiten bekannt. Die Abweichungen der
Verträge
sind in den kritischen Kempunkten bei wertender Betrachtung
ohne Bedeutung für diie rechtliche Einordnung, Die Ausserungen
sind nicht els etwas Geschehenes dem Beweise zugänglich.
Beweis würde über
diesen Teil der Anträge nicht erhoben werden. Das
gilt für
alie in diesem Abschnitt angesprochenen Äusserungen.
In der mit dem Antrag I a) bekämpften Äusserung
etwa geht es nur um eine Bewertung des Sachverhalts, der
fast allen, jedenfalls aber der weit überwiegenden Zahl der Leser
bekannt
ist, nämlich die Bewertung des verwendeten
Formulars der Klägerin. Die Stellungnahme zu einem
feststehenden Sachverhalt charakterisiert auch die anderen streitgegenständlichen Äusserungen.
Die Meinungsäusserungen des Beklagten überschreiten
nicht die Grenze zur Schrnähkritik. Immerhin hat
der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München
das Vorgehen durch Verwendung eines solchen Formularvertrags
heftig als wettbewerbswidrig kritisiert. Auch der hier entscheidende
Senat hat sich bereits kritisch geäussert,
Es besteht nicht die geringste Notwendigkeit den Preis
für den
Grundeintrag in dem Fussnotentext einzutragen
und nur die Aufpreise oben im Formular zu nennen. Ausserdem
ist die Bindung auf zwei Jahre in den Allgerneinen Geschäftsbedingungen
auf der Rückseite des Angebots der Klägerin geradezu
versteckt. Selbst wenn hinter dieser Gestaltung keine Absicht stünde
wäre
das Vorgenen jedenfalls kritikwürdig.
Dies auch dann, wenn der aufmerksarne Leser des Angebots
den wirklichen Preis herauslesen kann. Die Kritik des Beklagten
hat damit ausreichenden Sachbezug. Von Schrnähkritik
kann aber nur gesprochen werden, wenn die Äusserung
jenseits aller überspitzten Formulierung der
Verletzung der Person oder Firma des Kritisierten dient.
Misst das Grundgesetz der rechtlichen Sicherung
der Freiheit der Meinungsäusserung
eine überragende Bedeutung bei, so liegt dem die
Vorstellung zu Grunde, dass der mündige und zurn
eigenen Urteil im Kampf der Meinungen aufgerufene Bürger
ln der freiheitlichen Demokratie selbst fähig ist, zu erkennen,
was von einer Kritik zu halten ist, die auf eine Begründung
verzichtet und in hämisch-ironischer oder schimpfend-polternder
Art die Gegenmeinung
angreift (so BGHZ 45, 296/308 — Höllenfeuer). Darüiber
hinausgehend
hat der Beklagte seinen übersteigerten Formulierungen
sogar Begründungen
beigegeben Er hat seine Hornepage ausführlich mit
Material
gefüllt
von der er meint, dass es seine Äusserungen stützt.
Im geistigen Meinungskampf sprlcht die Vermutung
für
die Zulässigkeit
der freien Rede wenn es um eine die Offentlichkeit wesentlich
berührende
Frage geht (BVerfGE 7, 198 — Lüth). Das ist
hier der Fall.
b)
Die mit den Anträgen I 1 c) und d) bekämpften Äusserungen
enthalten zulässige Boykottaufrute. Motiv
des Seklagten ist hier auch die Sorge des Beklagten
urn wirtshaftliche Belange. Dies rnüssen nicht
seine eigenen sein. Das Mass der nach den Umständen notwendigen
und angemessenen Beeinträchtigung des Angriffs ist nicht überschritten.
Dabei steht der Versuch einer geistigen
Einflussnahme, ohne Ausübung von wirtschaftlichem Druck,
eindeutig rn Vordergrund. Erst eine Verstärkung der geäusserten
Meinung durch psychischen, wirtschatlichen oder vergleichbaren
Druck verliesse den Rahmen des Grundrechtsschutzes aus
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BverfGE 7 198 -Lüth;:
62, 231/244 - Denkzettel).
c)
Die
Antrage zu 1 2 b) bis e) wenden sich mit ihren allgemeinen
Formulierungen gegen Verhaltensweisen, die auch zulässig
sein können. Der verlangte Zusammenhang
des zu verbietenden Verhaltens zur Klägerin ist vollkornrnen
unbestimmt. Es sind viele Äusserungen oder Verhaltensweisen
denkbar, die zweifellos nicht unzulässig in des
Recht der Klägerin aus eingerichtetem und ausgeübten
Gewerbebetrieb oder das ailgerneine
wirtschaftliche Persönlichkeitsrecht eingreifen.
Eine Teilabweisung würde eine inhaltliche Veränderung
der Anträge bedeuten, die nur der Klägerin
vorbehalten ist. So wird, etwa irn Antrag 2 b keine inhaltliche
Begrenzung vorgenommen. Dies wäre aber entscheidend.
Rechtlich zulässig
muss in jedem Fall bleiben, dass der Beklagte über
Gerichtsverfahren im Zusarnmenhang mit der Klägerin
neutral und zutreffend berichtet. Ebenso muss aber für
den Beklagten offen bleiben, sich mit solchen Gerichtsverfahren
kritisch auseinander zu setzen. Eine andere Auffassung
würde das Recht
des Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unzulassig einschränken.
Entsprechendes gilt fur die anderen hier behandelten Anträge
d)
Der Antrag zu I 3 (Verwendung der E-Mail Adressen) ist unbegründet.
Die
Nutzungsbedingungen erstreben eine Kcntaktaufnahme mit
den
betrefferden Personen oder Firmen. Sie sind öffentlich
zugänglich.
Der Vorbehalt zum Inhalt der Kontaktaufnahme ist unwirksam.
Es gibt keine rechtlich gesicherte Grundlage für
das Verbot einer Nutzung mit bestirrimtern Inhalt. Insbesondere
besteht zwischen
den Parteien kein Nutzungsvertrag. Allein
aus der streitigen Beziehung auf Grund der Annahme des Antrags
zur Aufnahrne in das Onlineverzeichnis folgt die von der Klägerin
begehrte Einschränkung der Datennutzung nicht Sie folgt auch
nicht aus einer denkbaren und teilweise vom Beklagten in der
mündlichen Verhandlung zugestandenen Erfassung
durch edv-mässigen Eingriff. Dies ergibt eine
Abwägung der Grundrechte
der Klagerin aus Art, 2 Abs. 1 GG im Verhältnis
zur Äusserungsfreiheit des Beklagten (Art. 5 Abs.
1 Satz 1 GG) und seiner rechtlichen Befugnis unter
dem Bliickwinkel der Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange
potentiell sorgloser Interessenten auf die Probleme
des verwendeten Formularvertrags aufmerksam zu machen.
e)
Wegen
der Abweisung der Anträge auf Unterlassung in Abschnit
I der Anträge besteht kein Anspruch auf Schadensersatz
und Auskunft, Beide Ansprüche würden einen rechtswidrigen
Eingriff in die Rechte der Klägerin voraussetzen.
f)
Ergänzend
wird auf die Begründung des OLG Dresden im Urteil vom
10.5.2001 im Verfüigungsverfahren Aktenzeichen 2 U 151/00)
zu den inhaltlich übereinstimmenden Anträgen I 1
und I 2 a verwiesen.
3
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. die über
die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 7608 Nr 10, §§ 711,
713 ZPO. Die Voraussetzungen fur eIne Zulassung der Revision
gemäss 543 Abs.
2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung, Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung
des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Prof.
Dr. Seitz
Vorsitzender Richter
Dr. Klemm,
Schmidt
Richter
am Oberlandesgericht
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